Bio-Haff Reitz

, von Ekkehart Schmidt














Von Lieler aus, einem kleinen Dorf mit 230 Einwohnern oberhalb des Ourtals im Nordosten von Luxemburg, kann man bei klarem Wetter Deutschland und Belgien auf einen Blick sehen. Hier, am Dreiländereck nahe Weiswampach, befindet sich der alteingesessene Familienbetrieb Reitz-Kromer. Ein Sohn der Familie, Josy Reitz (Foto), wird nun - wie schon seit vielen Generationen praktiziert - den Betrieb fortführen. Allerdings nicht mehr konventionell: Er möchte den in 3. Generation von den Eltern übernommenen Hof, der auf die Herstellung von Bio-Agrarfrüchten sowie Milch und Fleisch spezialisiert ist, auf Bio umstellen.

Josy Reitz, gérant d`une ferme bio de vaches laitières a reçu un prêt alternative en 2017

Wann genau der "um Knupp", also auf dem Hügel westlich des Dorfes, gelegene Hof entstanden ist, kann Josy Reitz nicht genau sagen. Aber er muss wohl vor 1938/39 entstanden sein, erzählt er bei einem Besuch im März 2017. Das ist schon deswegen sicher, weil seine Großeltern von luxemburgischen Wehrpflichtigen, Deutschen Flüchtlingen, aber auch amerikanischen Soldaten erzählten, die sich hier versteckt hielten. In den Zeiten des Zweiten Weltkrieges war die Gegend Kriegsschauplatz der Ardennenoffensive.

In der Region dominiert die Rinderhaltung (Milch und Fleisch) sowie etwas Holzwirtschaft. In Lieler gibt es weder Geschäfte, noch ein Café, lediglich das Bistro des Campingplatzes "Trois frontières" direkt auf der anderen Straßenseite. Aber es gibt noch immerhin fünf Bauern im Dorf. Josy Reitz hat als einziger auf bio umgestellt. "Ich habe schon seit längerem mit dem Gedanken gespielt", erzählt er,

Wenn ich die Wahl habe zwischen der Haltung von 35 Bio-Kühen, für deren Milch ich 50 Cent/ Liter bekomme oder der Haltung von 80 konventionellen Kühen, für deren Milch ich nur 35 Cent kriege – fällt die Entscheidung leicht. Ersteres ist natürlich günstiger, selbst wenn Biokühe weniger Milch geben. Ausschlaggebend war der direkte Auslauf auf die Weiden, die hier direkt hinter der Stalltür beginnen. In der wärmeren Jahrezeit sind – bis auf die Kälber – tatsächlich alle Tiere ganztags auf der Weise. anders als die "Trockensteher" können die Milchkühe selbst entscheiden, sie dürfen das ganze Jahr über hinaus.

Der Viehbestand beläuft sich auf etwa 100 Fleckvieh, einer Rasse, die sich in gleicher Weise für die Milchproduktion, wie die Fleischherstellung eignet. Meistens werden nicht mehr als 35-36 Kühe gleichzeitig gemolken. Dazu kommen etwa 50 der schon genannten Trockensteher. Damit werden Milchkühe in der Phase zwischen der vorangegangenen Laktation und der Geburt des folgenden Kalbes bezeichnet. In dieser Zeit kann sich ihr Organismus regenerieren. In der Regel beträgt die Trockenstehphase rund sechs bis acht Wochen. Josy Reitz gönnt ihnen dagegen bis zu 12 Wochen. Der Stall trennt beide Gruppen. Das schon

ältere Jungvieh steht im neu erbauten Abschnitt, während die Kälbchen und einjährigen Kälber im Nebengebäude leben. Und natürlich zählt auch ein Bulle zum Bestand.

"Ich habe mir natürlich auch andere Biobetriebe angesehen und auch die Bio-Feldbegehungen von IBLA waren hilfreich für mich". Als ausschlaggebend für den Erfolg im Biolandbau erkannte er ferner das richtige Management im Ackerbau, vor allem die richtige Fruchtfolge. Er arbeitet diesbezüglich mit der Bioberatung

zusammen und testet dies. Er habe schon grösste Bedenken gehabt, ob er im Ackerbau zurechtkommen würde. Problematisch sei vor allem der Ampfer, da helfe nur "rappe goen", also mühsam die ganze Pflanze mit der Wurzel ausstechen, erzählt er der Zeitschrift Agri-Kultur (Sept. 2016).

Ein wichtiges Kriterium für die Umstellung auf bio war, dass er "direkt am Stall genug Zugang zu Weideland hatte, so dass die Kühe in den Sommermonaten 24 Stunden am Tag grasen können". Sein Viehbesatz sei nicht groß und er möchte ihn auch nicht ausdehnen. Das Haltungssystem der Milchkühe mit Auslauf, Tiefstreu-Liegeflächen

und befestigtem Stallboden mache die Umstellung beim Milchvieh einfacher. Den Jungviehstall hatte er sowieso neu zu konzipieren. Er wird jetzt direkt konform zu den Bio-Richtlinien gebaut. Aber auch andere Baumaßnahmen waren nötig.

Zur Sicherung der Weiterführung des Betriebes sowie Erfüllung der Bio-Auflagen, wurde insbesondere der Bau einer Mehrzweckhalle und die Vergrößerung der Liegefläche für die Kühe ("für mehr Kuhkomfort") notwendig. Die Gesamtkosten dieser Investition belaufen sich auf 252.600 Euro. Über eine staatliche Investition hinaus erhielt der Betrieb im September 2016 einen Investitionskredit seitens BCEE und etika in Höhe von 178.000 Euro.

Da sich die Auszahlung der Subvention seitens des Agrarministeriums um mindestens ein Jahr verzögert, erhielt der Betrieb einen Überbrückungskredit in Höhe von 74.600 Euro.

Die Umstellung des Hofs auf bio war relativ einfach. Zum einen wegen der schon vorhandenen Auslaufmöglichkeiten, zum anderen weil nur noch ein Jungviehstall für etwa 100. 000 Euro notwendig war. Zu den anderen Investitionen, die er dennoch getätigt hat – die Erneuerung des Hofbodens, insbesondere an der relativ steilen Stallzufahrt, sowie der Maschinenhalle – tätigte er freiwillig.

Die Vergrößerung der Liegefläche für die Kühe gelang durch die Vertiefung des Hauptstalles um etwa 5 Meter auf der gesamten Breite des Gebäudes: Hinter den Kühen konnten dadurch “Liegeboxen” für das Jungvieh eingerichtet werden (auf dem Foto rechts ist die Vertiefung linkerhand erkennbar).

Mit dem bisherigen Ergebnis zeigt sich Josy Reitz noch nicht ganz zufrieden: Er müsse da im Detail noch die Abstände zwischen den Boxen verändern. Insgesamt aber wirkt der Hof, der über 30 ha Getreideanbaufläche und 60 ha Grünland sowie etwas Wald verfügt, für die Zukunft gut aufgestellt.

Im Herbst 2017 hat Josy Reitz entschieden, zusätzliches landwirtschaftliches Gelände zu erwerben und die Melkanlage zu renovieren. Dafür hat er im Oktober 2017 einen zweiten Investitionskredit in Höhe von 135.000 Euro und einer Laufzeit von 15 Jahren erhalten.

Kontakt: Josy Reitz, 5 Duarefstrooss, L-9972 Lieler, Tel.: 691-608881

Porträtfoto von Julie Mousel/ Bio-Lëtzebuerg

Artikel vom 12. Oktober 2016, aktualisiert am 9. Juli 2018