Cohabit’AGE: Intergenerationelles Wohnen

, von Ekkehart Schmidt
















Der in Luxemburg 2014 gegründete Verein Cohabit’AGE setzt sich für das gemeinsame Wohnen von Menschen unterschiedlicher Generationen ein. Ziel der Arbeit ist es, durch das Zusammenleben in Mehrgenerationenhäusern nicht nur die Lebensqualität von Senioren uind jungen Menschen zugleich zu verbessern, sondern auch solidarisches Handeln zwischen ihnen anzuregen. Der Verein verfolgt ferner das Ziel, hierbei auch zugewanderte Menschen zu integrieren.

Hierbei bestimmen Werte des Austauschs, des Teilens, der Vergemeinschaftung und des Wissenstransfers die Arbeit. Ein Zimmer zum Wohnen anzubieten ist für Senioren insofern eine Möglichkeit, (wieder) in herzlicher Atmosphäre mit einem Menschen zusammen zu leben, einen neuen Sinn im Leben zu finden bzw. am Leben eines anderen teilzuhaben und nicht zuletzt auch durch die Unterstützung eines jungen Menschen so lange wie möglich in den eigenen vier Wänden wohnen zu bleiben. Für die jungen Menschen kommt neben den Aspekten des gemeinschaftlichen Zusammenwohnens auch der Aspekt preiswerten Wohnraums dazu.

Entstanden ist der Verein, der nun auch eine luxemburgische asbl gegründet hat, 2008 in Lothringen, nicht weit von Luxemburg. Damals hiess der Verein noch “Un toit 2 Générations Lorraine".

Es handelt sich dort um ein von verschiedenen Sozialverbänden getragenes Projekt, bei dem es ursprünglich zum einen darum ging, Aspekte der Isolierung und Vereinsamung älterer Menschen zu untersuchen, zum anderen darum, Schwierigkeiten junger Menschen, eine adäquate wohnung zu finden zu analysieren und für beide Themen angepasste Lösungen zu erarbeiten.

Ausgangspunkt dieses Einsatzes waren die schockierende Ereginisse vom Sommer 2003, als bei einer Hitzewelle tausende, isoliert lebende alte Menschen aus

Wassermangel starben. Da zur gleichen Zeit das Thema Wohnungsnot für junge Menschen in Großstädten dringlich erschien, entstand der Gedanke, durch Mehrgenerationenwohnungen beide Probleme gleichzeitig zu lösen.

In Lothringen gelang es zwischen 2008 und 2015 erfolgreich, 278 gemeinschaftliche Wohnungspartnerschaften zwischen jeweils einem älteren und einem jüngeren Menschen zustande zu bringen und zu begleiten.

Im Jahr 2013 nahm der Verein unter dem Namen Cohabit’AGE an einem Projekt von 1,2,3 Go Social teil, bei dem es darum ging, Unternehmungen mit sozialer und/ oder solidarischer Zielsetzung bei der Umsetzung zu helfen. Der Verein gehörte zu den Preisträgern des Projekts und entschied sich, die in Lothringen bewährte Organisation nun auch in Luxemburg aufzubauen.

Der in Esch/ Alzette ansässige Verein wird nun auch hierzulande abgenutzte oder gut bewohnbare Wohnungen anmieten oder aufkaufen und - nach eventuell nötiger Sanierung - temporär an Personen weiter vermieten, die die Wohnung für ein intergenerationelles Wohnen nutzen, erklärt Vereinsleiter Mussa Seck.

Als eines der ersten Projekte hat der Verein im Rahmen des Programms Habitsol® in Vianden ein ehemaliges Wohn- und Geschäftshaus mit mehreren Wohnungen gekauft, um es zu einem Ort intergenerationellen Wohnens umzugestalten (Foto rechts). Es befindet sich sehr zentral gelegen an der Ecke Rue de la Gare 16/ Rue Kohnerloch.

Die Gesamtinvestition betrug 920.000 Euro, wobei 75% vom Wohnungsbauministerium getragen wurden, der Rest vom Oeuvre national. Für die Zwecke dieses Projektes erhielt Cohabit’AGE im Dezember 2016 von etika und Spuerkess einen Investitionskredit in Höhe von 162.000 Euro (Laufzeit: 20 Jahre), der im Januar 2019 auf 295.000 Euro aufgestockt wurde.

Am 19. September 2017 wurde das Projekt durch den etika-Preis 2017 ausgezeichnet. Mehr dazu hier

Die Einweihung des "Maison intergénérationelle Grande-Duchesse Charlotte" erfolgte am 4. Oktober 2018 in Anwesenheit des Wohnungsbauministers Marc Hansen. Die acht Wohnungen sind sehr schön gestaltet und alle mit eigener Küche und Bad ausgestattet. Es handelt sich um zwei Appartements für autonome Personen ab 55 Jahren und sechs Studios für junge Leute.

Im Erdgeschoss des Hauses befinden sich ferner ein polyvalenter Wohn- und Versammlungsraum und eine kollektive Waschküche. Ersterer soll als Ort des Austauschs sowohl für die Bewohner*innen, als auch für die Nachbarn genutzt werden. Ziel ist die interkulturelle Integration und soziale Eingliederung. Isolation und Vereinsamung sollen hier Fremdwörter bleiben, hiess es bei der Einweihung.

Seit August leben hier vier Männer und vier Frauen (davon drei über 55) und fünf Jugendliche zu sozialen Mietpreisen. Der jüngste ist 24 Jahre alt, der älteste 62. Etwa die Hälfte der Bewohner*innen haben einen Migrationshintergrund. einige leben schon lange hier, andere haben erst kürzlich - vor allem aus dem Nahen Osten kommend - in Luxemburg Zuflucht gefunden.

Unser Foto rechts zeigt einen Teil der Bewohner*innen mit Moussa Seck, dem Direktor von Cohabit’AGE (2. von links) und Präsidentin Astrid Freis (mit Blumenstrauß).

Die Bewohner leben nicht nur zusammen, "sie lhelfen einander, sei es bei den Hausarbeiten oder den Einkäufen, sei es bei der Bewältigung von anfallendem Papierkram oder bei der Arbeitssuche", so Moussa Seck gegenüber dem Tageblatt.

"Es werden auch Sprach- und Informatikkurse angeboten". Die Wohngemeinschaft gebe den Menschen endlich eine echte Chance, sich "in einem neuen Leben" zurechtzufinden. Ein Syrer erzählt, dass er bislang in einem Foyer 650

Euro für ein Bett in einem Dreibettzimmer zu zahlen hatte. Hier bezahlt er lediglich 200 Euro plus 100 Euro Zusatzkosten für eine Wohnung.

Wie es bei der Eröffnung hiess, wird die Stadt den Bewohner*innen im kommenden Frühling auch einen Garten zur freien Nutzung zur Verfügung stellen.

Kontakt/ Vereinssitz: COHABIT’AGE, 10, rue de l’Eglise, L-4106 Esch sur Alzette, Tel.: 287 743 98 und 691 116 715, contact@cohabit-age.lu, http://cohabit-age.lu/

Zitierte Quelle: Infalt, Roger: "Endlich eine echte Chance", Tageblatt vom 16.10.2018. Zur Lektüre klicken Sie auf das Bild rechts

Reporter.lu hat im Mai 2021 zum Thema Wohn- und Baugemeinschaften recherchiert: In Luxemburg haben alternative Bau- und Wohnprojekte kaum eine Chance. Es bleibe bei Einzelinitiativen, die oft an institutionellem Widerstand und fehlendem politischen Mut scheitern.

Artikel vom 10. Januar 2017, aktualisiert am 10. Mai 2021