Darf Luxemburg an Menschenrechtsverletzungen verdienen?

, von Ekkehart Schmidt

Die Mitte Dezember 2012 erschienene Ausgabe 274 der Zeitschrift "Brennpunkt Drëtt Welt" widmet sich überwiegend Themen der luxemburgischen Kooperationspolitik, spricht aber auch ein Thema an, das etika seit 2008 beschäftigt: Die Investitionspolitik des Rentenfonds. Lesen Sie dazu einen Artikel von Marc Keup:

Serge Urbany, Abgeordneter der Linkspartei, kritisierte in der Parlamentsdebatte zur Kooperationspolitik den luxemburgischen Pensionsfonds (Fonds de compensation commun au regime général de pension) als Paradebeispiel für inkohärente Politik. Tatsächlich ist seine Zusammensetzung nur schwer mit dem Engagement der Regierung in Sachen Armutsbekämpfung vereinbar.

Im Frühling dieses Jahres fand die Gesundheitsbehörde der Provinz Espinar in Peru bei 26 von 500 untersuchten Personen Arsen, Cadmium, Merkur und Blei im Körper. Nach der Ursache brauchte man nicht lange zu suchen : die betreffenden Personen hatten Wasser aus den Flüssen Salado und Cañipía getrunken, in die der schweizer Bergbaukonzern Xstrata die Abwasser einer Kupfermine leitet (unser Foto zeigt eine Kupfermine von Xstrata in Australien). Die darauf folgenden Proteste der Bevölkerung wurden von privaten Sicherheitskräften der Firma und der peruanischen Armee brutal niedergeschlagen. Es gab Tote, Verletzte und zahlreiche Festnahmen – bis heute gilt der Ausnahmezustand in der Region.

Die rücksichtslose Vorgehensweise von Xstrata ermöglicht dem Konzern enorme Gewinne und der luxemburgische Staat kassiert kräftig mit. Ein Teil der sozialen Beitragszahlungen der im Großherzogtum arbeitenden Menschen werden in einem nationalen Rentenfonds gebündelt, der den zukünftigen Pensionsansprüchen gerecht werden soll. Und da diese Geldmasse, die mittlerweile auf mehr als 10 Milliarden Euro angewachsen ist, auf einem Sparkonto nur wenig Zinsen abwerfen würde, investiert man sie rund um den Globus in Fonds, Staatsanleihen oder Aktien von multinationalen Konzernen. Auf diese Weise kann sich der luxemburgische Staat über die Gewinnmargen von Firmen wie Xstrata freuen, auch wenn diese Politik mit dem Engagement der Luxemburger Regierung für Menschenrechte, Armutsbekämpfung und nachhaltige Entwicklung nur schwer vereinbar ist.

Die Verantwortlichen des Rentenfonds sind sich der Problematik bewußt. Nach Protesten aus dem Parlament und der luxemburgischen Zivilgesellschaft hat man die Investmentstrategie 2011 untersuchen lassen und als Konsequenz die Anteile an mehr als 50 Konzernen abgestoßen. Dass man dabei nur die Spitze des Eisbergs angehen wollte, ist ein offenes Geheimnis, denn die Anteile von mehr als 2000 Konzernen, darunter beispielsweise Xstrata, Shell oder Monsanto, blieben unangetastet. Angeblich erklärte der Vorsitzende des Fonds in der zuständigen parlamentarischen Kommission, dass nur 40% des Portfolios einer Überprüfung nach strengen Nachhaltigkeitskriterien standhalten würde. Doch der Druck nach möglichst hohen Renditen ist groß, vor allem in Krisenzeiten: Es gilt die sogenannte Rentenmauer zeitlich nach hinten zu verschieben.

Darf ein Staat wie Luxemburg Profit auf Kosten von Menschen machen, die auf der anderen Seite des Globus leben? Ist es koheränt, wenn das Großherzogtum einerseits Millionen in den Kampf gegen die weltweite Armut investiert und auf der anderen Seite private Akteure mit Kapital versorgt, die diesem Ziel bewiesenermaßen entgegenwirken? In einer von etika in Auftrag gegebenen ILRES-Umfrage von 2011 sagten 55% der Befragten, sie würden eine geringere Rendite des Rentenfonds akzeptieren, wenn ethische Bedenken stärker berücksichtigt würden, nur 11% sprachen sich dagegen aus. Dabei würde die Wertentwicklung nicht zwangsläufig unter einer solchen Neuausrichtung leiden. Andere Länder haben gezeigt, dass man auch mit einer verantwortlichen Investmentpolitik Gewinne einfahren kann.

Eine solch grundsätzliche ethische Fragestellung darf nicht in einem stillen Kämmerlein entschieden werden, sondern muss öffentlich zur Debatte gestellt werden, denn schlußendlich handelt es sich um eine Gewissensfrage, die jeder Abgeordnete, aber auch jeder Bürger für sich beantworten muss. Zumindest für einen Teil der Bevölkerung ist der Gedanke unerträglich, mit seinen Pensionszahlungen Menschenrechtsverletzungen zu unterstützen – den meisten ist die Problematik jedoch unbekannt.

Marc Keup ist Mitglied der ASTM. Der Text erschien auch am 10.11.12 im Luxemburger Wort.