Votum Klima: Geheit eis Zukunft net zur Fënster eraus!

, von Ekkehart Schmidt

Anläßlich der Parlamentsdebatte zum « Paquet Klima » und zum « Klimapartenariat « demonstrierten am 30. Juni Vertreter von 29 Nichtregierungsorganisationen, die in der Initiative « Votum Klima » (1) zusammengeschlossen sind (darunter auch etika), vor der Luxemburger Abgeordnetenkammer gegen die Klimapolitik der Regierung. Vor dem Parlamentsgebäude richteten die Demonstranten symbolisch eine Miniaturversion des « Héichhauses »

auf, dem Sitz des Nachhaltigkeitsministeriums, aus dem der « Roude Léiw », repräsentativ für die Luxemburger Regierung, großzügig Klimaschutzgelder aus dem Fenster hinauswarf.

Votum Klima beurteilt die Klimapolitik der Regierung als unzureichend. Die Vertreter der 30 NGOs fordern eine echte Klimaschutzstrategie für das Land mit klaren Reduktionszielen für die Sektoren Energie,

Industrie, Gebäude, Transport und Landwirtschaft. Ausserdem appellierten sie an die politisch Verantwortlichen, dass Luxemburg ein unilaterales europäisches Reduktionsziel von -30% bis 2020 unterstützen muss.

Besondere Kritik übten die NGOs an der Tatsache, dass die Regierung nach wie vor die meisten Emissionsreduktionen, zu denen Luxemburg sich verpflichtet hat, über den Kauf von Emissionsrechten im Ausland erledigen lassen will. Hierfür will die Regierung bis 2012 360 Millionen Euro ausgeben – Gelder, die uns für strukturelle Änderungen auf nationaler Ebene und für Klimaschutzaktivitäten in den Gemeinden fehlen werden. Für Votum Klima ist dies ein Teufelskreis, denn diese Praxis wird dazu führen, dass Luxemburg auch in Zukunft immer weiter gezwungen sein wird, diese Gelder für den Einkauf von Emissionsrechten auszugeben, da sich die inländische Klimabilanz nicht substantiell verbessern wird !

Die Regierung hat keine Strategie für ein klimafreundlicheres Luxemburg

Nach den Parlamentswahlen in Luxemburg 2009 wurden große Erwartungen an das neue Superministerium für Nachhaltigkeit geknüpft. Mit dem Klima-Partenariat wurde auch ein erster Schritt in die richtige Richtung getan. Votum Klima begrüßt ausdrücklich das Klimapartneriat. Aber das bisherige Resultat des Klimapartenariats bewerten wir insgesamt als enttäuschend : statt einer Strategie mit klaren Zielvorgaben in den Sektoren Energie, Industrie, Gebäude, Transport und Landwirtschaft gibt es bislang lediglich eine Reihe von mehr oder weniger zusammenhanglosen Einzelmaßnahmen. Doch das Aufaddieren dieser einzelnen Maßnahmen und den Ausgleich des Restes durch Einkauf von Emissionsrechten ist keine verantwortungsvolle Strategie, hat keine Perspektive und hält den Klimawandel nicht auf.

Die Naturgesetze sind jedoch nicht verhandelbar. Wenn wir die globale Erwärmung unter dem Wert von 2 Grad Celsius begrenzen wollen, müssen die Industrienationen ihre Emissionen um mindestens 40% bis 2020 und um 80-95% bis 2050 zu reduzieren. Jedes Land muß dabei den Beitrag bringen, der seiner Verantwortung und seinen Fähigkeiten entspricht. Wir brauchen daher einen « Top-Down »-Ansatz, der von den naturwissenschaftlich notwendigen Treibhausgas-Einsparungen ausgehend den Anteil Luxemburgs an der Lösung dieses globalen Problems als Ziel festlegt und dann klare Teilzeile, zeitliche Etappen und Leitplanken für Sektorpolitiken formuliert. Dazu gehört auch festzulegen, welchen Anteil wir im Inland erreichen können und wollen und wieviel wir an Rechten zukaufen.

Luxemburgs Einkaufspolitik von Emissionsrechten : ein Geldausgeben ohne absehbares Ende

Die Praxis des für die Klimapolitik federführenden Nachhaltigkeitsministeriums besteht darin, einzelne Maßnahmen zu fördern, ohne zu wissen, wieviel diese zusammen an Einsparungen erbringen werden. Der überwiegende Teil der Emissionsreduktionen, schätzungsweise 85-90% innerhalb der Kyoto-Periode von 2008-2012, muss somit über den Emissionshandel eingekauft werden, damit Luxemburg auf dem Papier die Kyoto-Ziele erreichen kann. Nur schätzungsweise 10-15% werden inländisch erzielt, wobei noch offen ist, wieviel davon tatsächlich durch Klimaschutzmaßnahmen erreicht und wieviel durch die Wirtschaftskrise hervorgerufen wurde.

Dies hat dazu geführt, dass bis Ende 2010 124 Millionen € für den Kauf von ca. 10 Millionen Tonnen Emissionsrechten ausgegeben wurden. Wenn dies so weitergeht wie geplant, werden es bis Ende 2012 um die 360 Millionen € sein, also 700 € pro Einwohner. Damit ist Luxemburg das Land der EU mit den weitaus höchsten Pro-Kopf-Ausgaben für Emissionsrechte.

Aber der ungebrochene Einkauf von Emissionsrechten nagelt uns in der Abhängigkeit vom Öl und anderen fossilen Brennstoffen fest - von Ressourcen, die immer knapper und teurer werden und deren Verfügbarkeit immer unberechenbarer wird. Es ist ein Geldausgeben ohne Perspektive und absehbares Ende, denn wir werden uns immer weiter freikaufen müssen. Mit Nachhaltigkeit, Klimaschutz und Klimagerechtigkeit hat dies nicht das Geringste zu tun.

Schützen wir so das Klima ?

NEIN ! Denn Emissionsrechte sind per Definition ein Null-Summenspiel, und dies auch nur im Idealfall: Für ein Emissionsrecht von einer Tonne Treibhausgase, das Luxemburg im Ausland eingekauft hat, können wir in Luxemburg eine Tonne Treibhausgase zusätzlich in die Luft jagen. Sollen doch die Chinesen Windmühlen bauen – wir heizen weiter mit Mazout ! In der Praxis sind aber viele Projekte, die Emissionsrechte für uns erzeugen, « faul » : CDM –Projekte (2), die sowieso gebaut worden wären, Projekte von Öl- und Gaskonzernen, die deren Effizienz und Profit erhöhen und Umweltgesetze verhindern, und jede Menge « Heiße Luft » (2) mit ungedeckten Klimaschecks aus den neuen EU-Mitgliedsstaaten.

Fehlende Transparenz

Generell fehlt es der Luxemburger «Klimapolitik » an Transparenz. Es werden weder die Mengen der eingekauften Rechte und ausgegebenen Gelder auf der Website des Nachhaltigkeitsministeriums veröffentlicht noch dürfen Beobachter an den Sitzung des Kyoto-Komitees teilnehmen. Transparenz und Information der Öffentlichkeit sind aber Grundvoraussetzungen für Akzeptanz und Partizipation und generell für eine nachhaltige Entwicklung.

Weitere Informationen :
Dietmar Mirkes, ASTM, klima@astm.lu
Martina Holbach, Koordinatorin Votum Klima, Tel. 621 23 33 62

(1) Aide à l’Enfance de l’Inde, Aktioun Öffentlechen Transport, Association de Soutien aux Travailleurs Immigrés (ASTI), Action Solidarité Tiers Monde (ASTM), Attac, bioLABEL, Église Catholique à Luxembourg, Bridderlech Deelen, Caritas Luxembourg, Cercle de Coopération, Conférence Générale de la Jeunesse Luxembourgeoise, Committee de Liaison des Associations Etrangers (CLAE), Demeter Bond Lëtzebuerg, Etika, European Antipoverty Network, Eurosolar Lëtzebuerg, Frères des Hommes, Greenpeace Luxembourg, Handicap International, Commission Justitia et Pax, Lëtzebuerger Velos-Initiativ, Mouvement Écologique, natur&ëmwelt (d´Haus vun der Natur, Fondation Hëllef fir d’Natur, Lëtzebuerger Natur- a Vulleschutzliga, Natura), SOS Faim Luxembourg, TransFair-Minka, UNICEF

(2) Weitere Informationen zu den CDM-Projekten (Clean Development Mechanism) und zu den « Heisse Luft »-Geschäften siehe auch die Dokumentation « Fakten zum Luxemburger Einkauf von Emissionsrechten » weiter unten auf dieser Seite.

................................................................................................................................

Fakten zum Luxemburger Einkauf von Emissionsrechten

Die bisherige Klimapolitik der Regierung hat dazu geführt, dass das dafür verantwortliche Nachhaltigkeitsministerium bis Ende 2010 124 Millionen € für den Kauf von rund 10 Millionen Tonnen Emissionsrechten aus dem Kyoto-Fonds ausgegeben hat :

  • 50 Millionen € für 3,8 Millionen Tonnen Emissionsrechte aus Einzelprojekten im Clean Development Mechanism in Entwicklungsländern,
  • 44 Millionen € für 2,7 Millionen Tonnen Rechte aus fünf großen Fonds und
  • 30 Millionen € für knapp 4 Millionen Tonnen Rechte aus « Heißer Luft » in Estland. (1)

Zusätzlich zu den bereits ausgegebenen 124 Millionen € dürfte die Regierung bis jetzt (Juni 2011) weitere 16 Millionen € (21,5 Millionen $) für einen Vertrag mit Litauen auf den Tisch gelegt haben. (2) Voraussichtlich werden Beträge in einer Größenordnung um die 50 Millionen € – dies hängt von der Entwicklung der Emissionen und der CO2-Preise - noch bis Ende Dezember 2012 für weitere rund 4 Millionen Tonnen Rechte folgen.

Dies bedeutet, dass wir bis 2012 an die 200 Millionen € bezahlt haben werden, um das Kyoto-Ziel zu erreichen.

Aber die Autofahrer werden weiter tanken (müssen) und den Kyoto-Fonds mit Kyoto-Cents bis Ende 2012 mit weiteren rund 140 Millionen € füllen, die die Regierung für noch mehr Einkäufe an Emissionsrechten bereits für das EU-Ziel bis 2020 nutzen will. Bis Ende 2012 plant sie nach eigenen Angaben an das UN-Klimasekretariat insgesamt Rechte für 360 Millionen € zu erwerben, und im Budget 2011 und 2012 des Kyoto-Fonds sind ausreichend Mittel dafür (206 Millionen €) vorgesehen. So bleiben wir nicht nur das Land mit den höchsten pro Kopf-Emissionen der EU, sondern werden auch noch das Land mit den höchsten Ausgaben für Emissionsrechte (über 700 € pro Kopf).

Schützen wir so das Klima ?NEIN ! Mit dieser Vorgehensweise werden wir unser Kyoto-Ziel zu 85-90% durch Emissionsrechte und nur zu 10-15 % durch Klimaschutzmaßnahmen hier in Luxemburg abdecken. Dies widerspricht nicht nur dem Grundgedanken der Klimarahmenkonvention, dass die Industrieländer entsprechend ihrer Verantwortung und ihrer Fähigkeit die Führung im Kampf gegen den Klimawandel übernehmen sollen, sondern löst auch das Klimaproblem nicht, denn der Emissionshandel ist in der Realität noch nicht einmal ein Null-Summenspiel, da er mit « faulen » Projekten durchsetzt ist :

1. Einzelprojekte im Clean Development Mechanism:
Viele der CDM-Projekte, die solche Rechte erzeugen, sind « Anyway-Projekte », das heißt sie wären sowieso gebaut worden (zum Beispiel Staudämme, die zum Zeitpunkt der Anerkennung als CDM-Projekt bereits fertig oder längst im Bau waren). Dies bedeutet, dass sie nur die Einnahmen aus dem Verkauf der Rechte « mitnehmen », aber real unsere Emissionen nicht ausgleichen können. Bei Staudämmen schätzen Fachleute den Anyway-Anteil auf 80% (Ihre Anerkennung ist übrigens einer der Hauptkritikpunkte an der Arbeit des CDM Executive Boards, des obersten CDM-Gremiums).4

2. Rechte aus Fonds:
Diese Rechte sind teuer und riskant, und viel Geld darin fließt in Effizienzprojekte der Öl- und Gasindustrie. Zum Beispiel beim « Carbon Fund for Europe » der Europäischen Investitionsbank EIB und der Weltbank, an dem Luxemburg mit 10 Millionen € einen 20%-Anteil hält. Nach über vier Jahren Bestehen hat er nur drei registrierte Projekte vorzuweisen, die Rechte erzeugen : eine Müllkompostierungsanlage in Lagos / Nigeria, ein Programm von Hausrenovierungen in Tschechien und ein Gasprojekt in Sibirien. Sie werden bis Ende 2012 für Luxemburg rund 1,6 Millionen Tonnen Rechte bringen : vom Müllprojekt 0,09 Millionen Tonnen Rechte = 6 %, vom tschechischen Häuserprogramm 0,2 Millionen = 12 % und vom sibirischen Gasprojekt 1,33 Millionen = 82 %. Das Rosneft Associated Gas Recovery Project5 in Westsibirien fängt Gas, das bei der Ölförderung mit ausströmt und bisher einfach abgefackelt wurde, ein, komprimiert es und speist es in das Gasnetz der Gasprom ein.

Das Abfackeln ist eine weltweite Praxis der Ölkonzerne, um Kosten zu sparen, aber es stellt eine lebensgefährliche Belastung von Mensch und Umwelt dar, deren Verbot durch Umweltgesetze Menschenrechts- und Ärzteorganisationen international seit vielen Jahren fordern.

Aber wenn Wladimir Putin da Abfackeln des Gases in Russland einfach verbieten würde, würden seinen beiden größten Öl- und Gaskonzerne Rosneft und Gazprom allein bei diesem Projekt Einnahmen in einer Größenordnung von schätzungsweise 50 Millionen € durch den Verkauf von Emissionsrechten entgehen. So neutralisieren wir durch den Emissionshandel den positiven Klimaeffekt, Gas zu nutzen statt abzufackeln, indem wir die in Sibirien eingesparten Emissionen hier bei uns selbst weiter emittieren und erstatten Rosneft und Gazprom die Kosten. Auf das tschechische Projekt kommen wir gleich zu sprechen….

3. « Heiße Luft » aus MitteleuropaUnter « Heißer Luft » versteht man diejenigen « Emissionsrechte », über die die 15 neuen Mitgliedsstaaten der EU verfügen, weil sie beim Zutritt zur EU deren Kyoto-Reduktionsziel von –8% ab 1990 übernommen haben, ihre Wirtschaft aber nach 1990 zusammengebrochen ist und dadurch ihre Emissionen viel stärker als –8% gesunken sind. Diese Differenz zwischen realen und erlaubten Emissionen beträgt in der Summe um die 11 Milliarden Tonnen, und sie verscherbeln diese « Rechte » vor allem an Japan und an die « alten » EU-Mitglieder, die damit leicht und billig ihre Kyoto-Ziele erfüllen können. Um anhaltender Kritik am Ummünzen von Nichts in Rechte zu begegnen, haben die neuen EU-Mitglieder « Green Investment Schemes » entwickelt, das sind Klimaschutzprogramme, die mit den eingenommenen Geldern realisiert werden. Allerdings « begrünen » sie nur einen kleineren Teil der verkauften Rechte (diesen Prozentsatz nennt man « Greening Factor »); der größere Teil ist pure « heiße Luft », d.h. Verschmutzungsrechte, die durch keinerlei Reduktion an Treibhausgasen in den neuen Mitgliedsstaaten gedeckt werden.

Luxemburg hat bisher für rund 46 Millionen € schätzungsweise 6 Millionen Tonnen solcher Rechte gekauft, und zwar im Jahr 2010 von Estland für 30 Millionen € knapp 4 Millionen Tonnen Rechte und vor einigen Wochen von Litauen für rund 16 Millionen € eine unbekannte Summe an Rechten, die aber nach den derzeit gängigen Marktpreisen um die 2 Millionen Tonnen liegen dürfte. Beim Geschäft mit Estland ist der « Begrünungsfaktor » bekannt : er betrug 0,2. Dies bedeutet, Estland verkaufte an Luxemburg zwar 4 Millionen Tonnen Rechte ; davon sind aber nur ein Fünftel = 0,8 Millionen Tonnen durch ein Green Investment Scheme (vor allem Renovierungen von Häusern) gedeckt. Bei den restlichen vier Fünfteln oder rund 3,2 Millionen Tonnen handelt es sich um pure « heiße Luft ». Mit anderen Worten: wir haben von den 30 Millionen € rund 24 Millionen € nur dafür bezahlt, dass wir 3,2 Millionen Tonnen Treibhausgase weiter bei uns emittieren können. Und dies, obwohl Artikel 6 des Kyoto-Protokolls ausdrücklich festhält, dass nur solche Emissionsrechte von anderen Staaten erworben werden können, die aus Reduktionsprojekten stammen. Bei dem neuen 16 Millionen €-Deal mit Litauen darf man von einem ähnlichen « Begrünungsfaktor » ausgehen und ebenso bei den 0,2 Millionen Tonnen Rechten aus Tschechien im Carbon Fund for Europe.

Die Haltung des verantwortlichen Ministeriums, den Abgeordneten unter dem Vorwand vereinbarter Vertraulichkeit mit den Geschäftspartnern keine Auskunft über die Menge erworbener Rechte und den « Greening Factor » zu geben, trägt nicht dazu bei, den Glauben an die ökologische Integrität solcher Geschäfte zu erhöhen. Es sei in diesem Zusammenhang auch darauf hingewiesen, dass das UN-Klimasekretariat im April 2011 Luxemburg ermahnt hat, die öffentliche Zugänglichkeit von Informationen sei nicht ausreichend6.

Quellen:
(1) Claude Wiseler : Réponse à la question parlementaire n° 0989 du 8 novembre 2010; de Monsieur le Député Camille Gira, 12.1.2011;
(2) Lithuanian Government Agrees to Four Sales of UN Carbon Permits, bloomberg.com, May 27, 2011; (3) UNFCCC (Hg.) : Compilation and synthesis of supplementary information incorporated in fifth national communications submitted in accordance with Article 7, paragraph 2, of the Kyoto Protocol, 1 June 2011; (4) siehe dazu www.internationalrivers.org und www.cdm-watch.org; (5) Joint Implementation Project Desig Document:Associated Gas Recovery Project for the Komsomolskoye Oil Field, Version 2, July, 25 2008; (6) UNFCCC (Hg.): Report of the individual review of the annual submission of Luxembourg submitted in 2010*, 1.4.2011.