Agrarflächen sind knapp. Oft steht ihre effiziente Bewirtschaftung im Konflikt mit der Artenvielfalt. Diese Problematik zeigt sich nicht nur bei der landwirtschaftlichen Nutzung, sondern auch bei der Installation von Photovoltaik-Anlagen. Beides auf ein und derselben Fläche zu kombinieren ist die Grundidee der in Wecker (Gemeinde Biwer) ansässigen Firma Green Power Storage Solutions (GPSS), die so genannte Agri-Photovoltaiksysteme entwickelt hat. Diese Anlagen folgen dem Ansatz landwirtschaftliche Produktion, Energieproduktion sowie biodiversitätsfördernde Maßnahmen in eine gute Balance zu bringen. Durch den Ausbau der Photovoltaik und die gleichzeitige Erhaltung der landwirtschaftlichen Aktivität lässt sich eine erhöhte Flächeneffizienz erreichen. Der so produzierte Strom kann entweder direkt genutzt oder in das Stromnetz eingespeist werden. Werden Energie und landwirtschaftliche Produkte separat produziert, ist dies durch einen fast doppelt so hohen Flächenbedarf deutlich weniger effizient.
Die luxemburgische Regierung hat vor einiger Zeit eine erste öffentliche Pilotausschreibung erstellt, um zu erkunden, welche Formen der Agri-PV für die hiesigen Strukturen und Realitäten geeignet sind. Hierbei arbeiten drei Ministerien mit drei unterschiedlichen Schwerpunkten zusammen, um die am besten geeigneten Auslegungen der Agri-PV Anlagen zu erarbeiten. Das frühere Energieministerium (heute Teil des Wirtschaftsministeriums), ist hierbei federführen. Das Ministerium für Landwirtschaft möchte Agri-PV auf landwirtschaftlichen Flächen nur zulassen, falls der Betreiber oder die Betreibergesellschaft eng mit einem aktiven Landwirt verbunden ist. Dies, um Spekulation mit landwirtschaftlichen Flächen zu unterbinden. Das Umweltministerium ist unter Anderem interessiert an der Steigerung der Biodiversität, an der Reduktion der Pestizide und Fungizide und der Vermeidung von Dünger.
Diese Zielsetzungen sind sehr schwierig miteinander zu vereinbaren“, erläutert Michel Witte, Direktor bei GPSS. „Dies war aber die Voraussetzung, um an der Ausschreibung teilzunehmen zu können. Wir haben vier unterschiedliche Projekte eingereicht und alle vier sind mit Auszeichnung akzeptiert worden“, so Witte, der auf Nachfrage betont, dass vergleichbare Agri-PV-Anlagen in den Nachbarländern nicht diese strengen Kriterien erfüllen.
Spuerkeess und etika haben zweien dieser vier Projekte im April zinsvergünstigte Kredite erteilt: Da ist zum einen das Projekt der Agri-PV Angelsberg S.à r.l., das einen Kredit in Höhe von 1.507.631 Euro erhalten hat (Laufzeit: 15 Jahre). Es ist das einzige Projekt, das die klassische Ackerbau-Wirtschaft weiter zulässt. „Dies ist eine weitere Herausforderung, da es bis dato fast keine Informationen zum Einfluss der Verschattung, durch PV-Panele, auf den Weizen oder andere Getreide gibt. Natürlich sind alle diese Anlagen im Endeffekt auch mit den nächsten Projekten, der Wasserstoffgewinnung und einem netzdienlichen Energiespeicherung verknüpft“, erklärt Witte. Die Anlage soll im September fertiggestellt werden.
Zum anderen erhielt das Projekt der Energy Kielen (GPSS) S.à r.l. einen Kredit in Höhe von des Kredits 1.858.678 Euro (Laufzeit: 15 Jahre). Es wird zurzeit fertig gestellt und soll zu einem späteren Zeitpunkt Teil des Energieparks Kehlen werden. „Im Hochlauf dient es als Anschauungsprojekt, vor allem für Flächenbesitzer, Landwirte, Bürger und Politiker“, erläutert Witte. Der produzierte Strom soll, wenn möglich, in Kehlen in einer Energiegemeinschaft den Bürgern und der Kommune Kehlen zugutekommen. „Dies zu einem Preis, der höher ist als die Einspeisevergütung aber deutlich niedriger als der Preis des Energieversorgers“, betont er.
In Kehlen wird die Agri-PV Anlage auf einer Grünlandfläche errichtet, welche auch weiterhin als klassische Mahdwiese genutzt wird. „Dies bedeutet, dass wir an dieser Anlage den landwirtschaftlichen Betrieb einer Vielzahl von Betrieben darstellen können, erklärt Witte. „Da Grünland rund 50% der gesamten landwirtschaftlichen Aktivitäten in Luxemburg darstellt, ist die Futtergewinnung sehr wichtig (vor allem Mahdwiesen). Dagegen ist die Anlage in Angelsberg auf Ackerbau (Anbau von Getreide) abgestimmt.
Den Besitzern der Fläche (oft auch die Bewirtschafter der Flächen) bietet GPSS folgende Kooperationsmodelle an: (1) GPSS erbringt die Dienstleistung der Projektleitung und -umsetzung, während der Besitzer ein Unternehmen gründet und das Projekt finanziert. Dies betrifft zwei von vier der Projekte; (2) ähnlich dem ersten Modell, allerdings beteiligen die Besitzer GPSS zu 51%. GPSS managt die neu gegründete Firma, sie erhält eine 30-jährige Erbpacht, GPSS erhält einen Dienstleitungsauftrag und der Besitzer einen Dienstleistungsvertrag für die landwirtschaftliche n Arbeiten. Nur im Fall Kehlen ist GPSS als Modell 2 mit 100% Kapital beteiligt. In beiden Fällen prüft GPSS über 12 Monate die Energieausbeute und bietet dann den Besitzern , dem Bewirtschafter, den Bürgern der Kommune und der Gemeinde eine mögliche Beteiligung an.
Beim Bezug der Komponenten der PV-Anlagen würde GPSS gerne auf deren nachhaltige und lokale Produktion Wert legen, doch „leider hat die Politik dies noch nicht im Auge“, sagt Witte. „Da wir bei einer Ausschreibung nur den Zuschlag bekommen, wenn wir den niedrigsten Preis anbieten, wird das Thema Nachhaltigkeit eher gering bewertet. Wir haben für uns entschieden, dass wir mindestens 50% europäische Produkte benutzen. Allerdings ist auch gewusst, dass viele europäische Hersteller auf asiatischen Produkten basieren.“
Kontakt: GPSS, Michel Witte, 1, Haaptstrooss, L-6869 Wecker, info@gpss.lu, Homepage
Artikel vom 25. Juni 2024