Trainings und Ausbildungsangebote zum Thema Sustainable Finance

, von Ekkehart Schmidt
















Luxemburg hat 2023 zum ersten Mal an einer OECD-Umfrage teilgenommen, die das Niveau der finanziellen Allgemeinbildung misst. Das Ergebnis ist ernüchternd: Im Hinblick auf das Finanzverhalten und die finanzielle Einstellung liegen alle Altersgruppen sogar unter dem internationalen Durchschnitt (mehr dazu im Paperjam). Eine von Quest market intelligence 2023 durchgeführte Umfrage über das Finanzwissen junger Menschen mit Wohnsitz in Luxemburg ergab einen "dringenden Bedarf", das Bewusstsein junger Menschen für die Verwaltung ihrer persönlichen Finanzen zu verbessern. Der Bankenverband ABBL zeigte sich im Mai 2023 recht erschüttert angesichts der Einschätzung, dass bei den Jugendlichen eine enorme Diskrepanz zwischen dem vernünftigen Verhalten, das man im Umgang mit Geld erwarten sollte, und der Realität bestehe: ein sehr "lässiges" Verhalten. "Für die jungen Luxemburger ist Geld in erster Linie dazu da, es auszugeben. Man hat das Gefühl, dass sie von klein auf in Wohlstand leben", so Catherine Bourin im Paperjam.

Wie in vielen anderen Ländern auch, steht im luxemburgischen Schulsystem zu wenig Zeit für grundlegende Fragen der Wirtschaft (Steuern, Wirkungen der Inflation, Zinsen, Geldanlage etc.) zur Verfügung. Diesbezüglich sind die meisten Absolvent*innen nahezu illiterat. Gleiches gilt für Fragen der globalen Nachhaltigkeit des ökonomischen Systems und insbesondere des Finanzplatzes.

Bislang haben auch so gut wie alle Angestellten des luxemburgischen Finanzplatzes ihre finanzspezifische Ausbildung an Hochschulen ausserhalb des Landes erworben. Diese Lücke hiesiger Möglichkeiten wird nun zu füllen versucht.

Seit etwa zwei Jahren versuchen Trainings und Schulungen privater Anbieter (ausschliesslich finanzmarktnah) letzteres für Akteure des Finanzplatzes auszugleichen. Sie bieten Professionellen fast ausschliesslich sehr pragmatische Hinweise für die Umsetzung neuer Regulierungsanforderungen und des ESG-Screening. Sie sind so ausgelegt, dass ein kritischer/ ganzheitlicher Blick irrelevant ist. Auch die universitären Angebote sind überwiegend so aufgebaut, dass Nachwuchs für die Bedürfnisse des Finanzplatzes ausgebildet wird.

Anfang 2020 ging die luxemburgische Regierung eine strategische Partnerschaft mit der Universität Luxemburg ein, um einen Masterstudiengang für nachhaltige Finanzen sowie professionelle Zertifikate und grundlegende und angewandte Forschung im Bereich der nachhaltigen Finanzen zu schaffen. Heute bietet die Universität folgende Studienmöglichkeiten:

Auch die private L22 School of business bietet seit Oktober 2022 einen Bachelor und einen Master "Finance, Banking & Asset Management" ohne spezifische Nachhaltigkeitsausrichtung.

Seit etwa zwei Jahren werden in Luxemburg auch von Institutionen der Finanzwirtschaft Fort- und Weiterbildungsangebote zum Thema "Sustainable finance" bzw. "ESG Integration" angeboten, die sich vor allem an professionelle Berufstätige richten. Die LSFI-Homepage listet Dutzende solcher Angebote.

Zu nennen sind Schulungen folgender lokaler Akteure:

  • EFPA Luxembourg (ESG Advisor) EFPA Luxembourg ist eine 2020 entstandene Non-Profit-Organisation und Mitglied der EFPA Europe, welche ihre Zertifizierungen und ihr Weiterbildungsprogramm an die rechtlichen Rahmenbedingungen und Bedürfnisse verschiedener Länder anpasst);
  • House of Training (Sustainable Finance Training program, International Certification in Sustainable Finance der Global Reportig Initiative, Sustainable Finance and Human Rights, Trainings in Bezug auf CSR). Das 2015 von der Handelskammer und der Luxemburger Bankenvereinigung (ABBL) gegründete House of Training bietet berufliche Weiterbildungsprogramme für die Bedürfnissen der luxemburgischen Wirtschaft, Kurse zu nachhaltigen Finanzthemen existieren seit 2019, durchgeführt werden sie vom Nationalen Institut für nachhaltige Entwicklung und soziale Verantwortung von Unternehmen (INDR), gegründet von der Union der luxemburgischen Unternehmen (UEL), dem Dachverband der luxemburgischen Arbeitgeberschaft;
  • Die Beratungsfirma Arendt bietet Schulungen unter besonderer Beachtung juristischer Fragen;
  • IMS Sustainability Academy (Training "Climate and Finance"). IMS (Inspiring More Sustainability) ist seit 15 Jahren das führende Netzwerk luxemburgischer Unternehmen im Bereich der sozialen Verantwortung der Unternehmen (CSR);
  • LGX Academy (bietet seit 2020 u.a. Fundamentals of Sustainable Finance, Sustainable Finance Products and Standards: ESG Funds and Sustainable Bonds). Die meisten Angebote der Luxembourg Green Exchange (LGX), der Handelsplattform für nachhaltige Anlagen der Luxemburger Börse, sind dreitägige Webinare;
  • PwC’s Academy (Trainings in Sustainable finance foundations, ESG, SFDR und Regulations). PricewaterhouseCoopers (PwC) zählt zu den sog. Big Four der Unternehmensberatungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften. Die Akademie besteht seit 2001, Programme in Sustainable Finance werden seit 2021 entwickelt);
  • Die in der Schweiz tätige Fund Academy plant, bald auch in Luxemburg Schulungen mit Schwerpunkt Fonds-Industrie anzubieten (Artikel im Paperjam).

Eine Arbeitsgruppe der LSFI, bei der auch etika mitwirkte, hat von November 2022 bis Mai 2023 den grössten Teil des Angebotes der oben genannten Akteure mit Blick auf die Bedürfnisse des Finanzplatzes untersucht und Lücken herausgearbeitet (siehe Whitepaper und Interview mit dem Leiter der Arbeitsgruppe, Patrick Levaldaur).

Er fasst zusammen: "Wenn es um nachhaltige Finanzen geht, konzentriert sich die Ausbildung in Luxemburg heute hauptsächlich auf den regulatorischen Rahmen. Dies ist für einen Finanzplatz, der sehr stark auf Risikomanagement, Compliance und Berichterstattung ausgerichtet ist, durchaus verständlich. Andererseits konzentrieren sich nur wenige Schulungen auf Produkte und Managementtechniken oder sind direkt auf das Privatkundengeschäft ausgerichtet.

Trotzdem glaube ich, dass hier die größte Gefahr des "Greenwashings" besteht. Dies liegt nicht daran, dass die in diesem Bereich tätigen Fachleute die Endkunden über die tatsächlichen Auswirkungen nachhaltiger Finanzprodukte in die Irre führen wollen, sondern daran, dass die Konzepte, Ratings, Labels und Prozesse, die das nachhaltige Finanzwesen prägen, noch jung und in der Entwicklung begriffen sind und von Fachleuten mit wenig oder keiner Ausbildung in diesen Bereichen leicht missverstanden werden können.

Wie bereits erwähnt, hat unsere Arbeitsgruppe eine wichtige Lücke identifiziert: "Wie verkauft und/oder vermarktet man ein ESG-Produkt? Wenn wir einen schlechten Ruf für nachhaltige Finanzen vermeiden wollen, müssen Finanzberater sowohl in der Banken- als auch in der Versicherungsbranche über nachhaltige Finanzprodukte, ihre Ziele und auch ihre Grenzen Bescheid wissen."

Nach Einschätzung von Prof. Christian Schulz (Universität Luxemburg) fehlt es am Finanzplatz freilich vor allem an grundlegendem Wissen zu Nachhaltigkeitsfragen. Mit diesen Trainings habe man begonnen, sich selbstreferentell zu zertifizieren. Solche Trainings seien zum Business Model geworden, um im Sektor aktive Juristen und andere Berufsgruppen in vergleichsweise kurzen Kursen zu "ESG-Berater:innen" auszubilden, um der Nachfrage zu begegnen. Viele dieser Angebote seien "Skillwashing", sagte er bei der Green Finance Conference am 16. Mai 2023, bezugnehmend auf eine Untersuchung von Schumacher aus dem Jahr 2022, die zeigt, wie wenig diese Angebote in die Tiefe gehen:




















Schliesslich sind auch einige europaweite Angebote von Interesse:

Angebote für Privatpersonen bzw. Konsument*innen

Bislang existieren lediglich vereinzelte Angebote zur Aneignung finanziellen Wissens ohne kritischen Blick (rein renditeorientiertes Paradigma). So veranstalten die Bankenvereinigung ABBL und die ABBL-Stiftung für Finanzbildung seit 2015 jedes Jahr die "Woch vun de Suen" (Woche des Geldes). Schüler:innen der Grundschulen (10-12 Jahre) soll durch eine zweistündige spielerische pädagogische Aktivität geholfen werden, "den Wert des Geldes und die Bedeutung der Verwaltung ihres Budgets besser zu verstehen".

Die ABBL hat zwar mit einer im März 2023 erstellten App "Money Odyssey" ein neues Angebot entwickelt, doch ist dieses ebenfalls so ausgerichtet, Privatpersonen zu erläutern, wie man am besten renditeorientiert Geld anlegt. Der von ihnen selbst beklagte "finanzielle Analphabetismus" wird dadurch aus unserer Sicht nicht wirklich behoben.

"Um das Thema Geld zu enttabuisieren und den Erwachsenen von morgen die finanziellen Kenntnisse zu vermitteln, die sie für ihren Erfolg benötigen", bietet die gemeinnützige Organisation Jonk Entrepreneuren seit dem Schuljahr 2022/23 im Rahmen ihres Programms "Fit for Life" Schülern im Alter von 14 bis 16 Jahren praktische Kurse zum Thema Geld und allem, was dazu gehört, an. Ziel ist es, Teenagern beizubringen, wie sie ihre persönlichen Finanzen besser verwalten und planen können. Eins von drei Modulen behandelt auch Sustainable Finance (die Welt der Investments). Das Programm wird durch die Bank ING mit 50.000 Euro unterstützt. Mehr dazu bei Delano

Die einzigen Akteure, die bislang versucht haben, finanzplatzkritische Informationen zur Verfügung stellen, waren – abgesehen von Studien von Greenpeace, ASTM etc. - finanzmarktkritische Akteure der Zivilgesellschaft wie ATTAC, CELL, Cercle des ONGd und etika in Zusammenarbeit mit dem CITIM (siehe unten). Die Reichweite dieser Angebote war sehr gering und zeitlich begrenzt.

Als Gegengewicht zur kritiklosen Vermittlung pragmatischen Wissens dringend erforderlich ist daher eine Förderung alternativer Angebot für Professionelle und Privatpersonen zur nachhaltigen Entwicklung und insbesondere der behaupteten Nachhaltigkeit des Finanzplatzes.

Ersteres wird durch Angebote des Cercle des ONGd und de CITIM gut abgedeckt (Angebote Éducation au Développement Durable und Éducation à la Citoyenneté Mondiale). Dabei geht es darum, eine aktive Rolle auf lokaler wie globaler Ebene einzunehmen. Für Schulen zu nennen sind auch die Angebote "Education au développement - Environnement" des Institut de formation de l’Education nationale (IFEN).

Letzteres ist auch deswegen zwingend, weil die Finanzbranche der ökonomische Motor des Landes und die Quelle des Reichtums der Bürger*innenschaft ist. Nur diesbezüglich transparent informierte, “aufgeklärte” Staatsbürger*innen können u.a. mit Blick auf ihre Wahlentscheidung wirklich demokratisch teilhaben.

Ein Akteur zur Umsetzung solcher Angebote könnte auch die Fondatioun Zentrum fir politesch Bildung sein, deren Weiterbildungskurse sich an Lehrpersonal der Grund- und Sekundarschulen, pädagogisches Personal und die breite Öffentlichkeit richten.

etika selbst bietet zur Zeit keine Fortbildungen an. Bis 2017 haben wir unter dem Titel "Finance citoyenne" vor allem finanzmarktkritische Reihen für Interessierte ausserhalb des Bankensektors durchgeführt, bis 2020 auch kurze Schulungen für Privatanleger*innen mit Interesse an nachhaltigen Investments (z.B. Webinar "Du bon usage de l’argent" für CELL). 2022 waren wir Gastgeber der einwöchigen "Summerschool Sustainable Finance - The time is now" des Institute for Social Banking.

Artikel vom 6. Januar 2023, letzte Aktualisierung am 23. August 2023