Cum-Ex-Geschäfte: Straflose Steuerhinterziehung

, von Ekkehart Schmidt
















Unter Dividendenstripping wird börsentechnisch die Kombination aus dem Verkauf einer Aktie kurz vor dem Termin der Dividendenzahlung und Rückkauf derselben Aktie kurz nach dem Dividendentermin verstanden. Ist der Verkäufer bei einem Verkauf kurz vor diesem Stichtag (noch) nicht Eigentümer der Aktie (Leerverkäufer) und wird die Aktie kurz nach dem Dividendenstichtag geliefert, spricht man auch von einem Cum-Geschäft oder Cum-Trade. Bei Geschäften ohne Ausschüttungsanspruch spricht man von Ex-Geschäften.

Das klingt kompliziert, ist es aber eigentlich nicht. Vielleicht ist aber der sperrige Name ein Grund dafür, dass bislang weder in Deutschland, noch in Frankreich ain grosser Aufschrei der Empörung durch das Land ging, obwohl Banken damit von 2001 bis 2016 in großem Umfang und mit geradezu krimineller Energie eine mehrfache Erstattung von nur einmal abgeführten Kapitalertragssteuern erzielt haben. Kurz gesagt: Der Fiskus kassiert einmal Kapitalertragssteuer, zahlte dann aber doppelt so viel zurück, wie er eingenommen hatte. In Höhe von über 30 Milliarden Euro allein in Deutschland. Geld, das fehlt, wenn es um den Ausbau der Infrastruktur, des Bildungs- und Gesundheitssektors geht.

Neben Cum-Ex-Geschäften, bei denen die Kapitalertragssteuer mehrfach statt einfach abgeführt wird, wurden auch Cum-Cum-Geschäfte praktiziert, bei der es um die Umgehung der Kapitalertragssteuer für ausländische Anleger (denen - anders als inländischen Anlegern - keine Steuererstattung zusteht).

Möglich war der Trick, wenn die Aktien im Umkreis des Termins der Dividendenzahlung schnell hin und her verkauft wurden, so dass dem Fiskus nicht mehr klar war, wem die Papiere überhaupt gehörten. Rechtlich gehörte die Aktie zum gleichen Zeitpunkt mehreren Leuten. Banken verteilten jeweils mehrere Bescheinigungen über angeblich gezahlte Steuern, obwohl diese nur einmal entrichtet worden war. Damit wiederum konnten die Investoren ihre Steuerschuld an anderer Stelle verringern oder eine Erstattung einfordern.

Praktiziert wurde mit einer gewissen Systematik von vielen Banken: Sie haben daraus ein Geschäft gemacht. Ob hierbei der Tatbestand der Steuerhinterziehung erfüllt wurde oder eine legale Steuergestaltung genutzt wurde, ist umstritten. Eureporter nennt dies jedenfalls "White-Collar-Crime".

Seit 1992 wissen Behörden, dass Banken und Investoren mit den umstrittenen Cum-Ex-Aktiengeschäften den Fiskus schröpfen. Ein Untersuchungsausschuss im Deutschen Bundestag bezifferte Ende 2016 die Summe, die dem Staat dadurch zwischen 1999 und 2012 wegen dieses Steuertricks verloren gegangen ist, auf bis zu 12 Milliarden Euro, Ende 2018 wurde dieses Summe für den Zeitraum 2001-16 allein in Deutschland auf 31,8 Mrd. Euro und europaweit auf 56 Mrd. Euro beziffert. In Deutschland schloss der Staat das Steuerschlupfloch 2012.

Bestraft wurde bislang nur die Deutsche Bank: Ein am 5.12.2018 verfügtes Bussgeld betrug 4 Millionen Euro. Mehr dazu hier und hier mit Animation der Vorgehensweise.

Wie im Oktober 2021 berichtet wurde, hat Luxemburg 2,2 Milliarden Euro durch diese Geschäfte verloren (Artikel im Delano).

Dies ist ein Ausschnitt aus unserem Glossar, in dem sich viele solcher kompliziert scheinender Begriffe der Finanzwelt finden, so zum Beispiel auch zu "Phantom-Papieren", einem Geschäft ähnlich skandalösen Ausmasses.

Artikel vom 17.12.2018, aktualisiert am 22. Oktober 2021