Wem gehört die Stadt? (14. Juni)

, von Ekkehart Schmidt

Debatte: Finanziarisierung im Wohnungsmarkt (14. Juni)

Luxemburg ist eine der wenigen europäischen Städte, in der sich das Phänomen der "Gentrifikation" in besonders krasser Weise zeigt: Es werden ganze Viertel und Strassenzüge mit alter, erhaltenswerter, auch identitätsstiftender Bausubstanz abgerissen, um Bürogebäude und teure Appartmenthäuser zu errichten. Ohne nennenswerten Widerstand. Es fragt sich, ob es sich dabei um individuelle Bauprojekte handelt, die nur ein Thema für die Stadtplanung sind, oder ob sich dahinter - wie bereits in vielen anderen Ländern - ein übergeordnetes ökonomisches Phänomen verbirgt, das mit Rendite-Interessen der globalen Finanzwirtschaft verbunden ist.

Gemeinsam mit der Initiative "Luxemburg under destruction", dem Mieterschutz Luxemburg, der Initiative "Stoppt de Bagger" und Déi Lenk debattieren wir am 14. Juni mit Prof. Manuel Aalbers (Universität Leuven, Foto) und Antoine Paccoud (LISER) das Thema "Finanziarisierung im Immobiliensektor". Manuel Aalbers forscht seit Jahren zu dem Thema (siehe seine Publikation "The Financialization of Housing: A political economy approach").

Der Begriff "Finanziarisierung" bezeichnet Prozesse gesellschaftlichen Wandels, die sich aufgrund der zunehmenden Bedeutung der Kredit- und Kapitalmärkte auch auf Sphären jenseits des Finanzsystems erstrecken. Mit Blick auf den Wohnungsmarkt bezeichnet man das Phänomen, dass Wohnen als Mittel für Investitionen und Wohlstand und nicht als soziales Gut und Menschenrecht gesehen wird, als Finanziarisierung im Immobiliensektor. Konkret geht es um den "Verwertungsdruck", dem luxemburgische Haus- und Grundstückseigentümer ausgesetzt sind, sowie die Folgen: Abriss erhaltenswerter Häuser für Neubauten, die kaum eine Lösung für das Problem fehlenden erschwinglichen Wohnraums bieten - im Gegenteil.

Freilich sind die Verkäufer nicht bemitleidenswerte Opfer dieses Drucks, sondern profitieren davon. Dieser Logik geopfert wird eher das architektonische Erbe, ja sogar die historisch gewachsene Identität des städtische Raums. Die Initiative "Luxembourg under destruction" versucht, nun schon mit einer zweiten Petition, zu der sie am 3. Mai in der Chambre des députés zu einem Hearing zu der Forderung zugelassen wurde, generell alle Häuser, die vor 1957 errichtet wurden, unter Schutz zu stellen. Bei dem Hearing betonten Karin Waringo und Lilith Kreiss von "Archtects for Future" auch, dass Denkmalschutz auch Klimaschutz ist.

Heute kaufen Investmentfonds und Banken weltweit ganze Stadtteile auf und treiben dabei mit Unterstützung (bzw. fehlender Regulierungen) nationaler und europäischer Institutionen spekulative Investitionen voran: Wohnraum wird zum "asset". Dies verschärft das Problem fehlenden bezahlbaren Wohnraums. Bei der Veranstaltung am 14. Juni wird uns Manuel Aalbers die Wechselbeziehungen zwischen

Kapitalmarkt und Wohnungswesen erläutern, indem er beide Sphären in einem Begriff zusammengefasst betrachtet: Die Finanzialisierung des Wohnens (siehe dazu ein Interview mit ihm).

Ziel des Abends ist es, zu verstehen, inwiefern diese Prozesse auch in Luxemburg wirken oder ob bislang "lediglich" hiesige Finanzmarktakteure anderweitig tätig sind, zum Beispiel in London oder Berlin.

Antoine Pacoud vom LISER, der derzeit an einer Studie über das Profil der Investoren arbeitet, wird anschliessend einen Beitrag zur Situation in Luxemburg einbringen. Es folgt eine Diskussion mit Beteiligung des Publikums.

Die Veranstaltung findet am 14. Juni um 18.30 Uhr im Sang a Klang statt (1 Rue des Trois-Glands, Paffendal, Luxembourg). Manuel Aalbers referiert in Englisch, die Debatte werden wir in Französisch führen. Der Eintritt ist frei.

Die Fotos zeigen Häuserabrisse und Entkernungen in der Avenue de la gare, der rue Adolphe Fischer und am Dernier Sol im luxemburgischen Bahnhofsviertel 2023.