Diktatoren-Gelder in Luxemburg

, von Ekkehart Schmidt

Wir veröffentlichen (mit freundlicher Erlaubnis des Autors) einen Artikel zu einem Thema, das auch etika umtreibt:

DIKTATOREN-GELDER

„Ich kenne ihn nicht.“ Raymond Klein (woxx, 11.02.2011)

Es musste zu einem Regimewechsel kommen, bevor die Rechtmäßigkeit des Vermögens von Ben Ali und Konsorten hinterfragt wurde. Und über ihre Konten in Luxemburg diskutiert wurde.

Der Regierung sei nichts über Guthaben des Ex-Präsidenten Ben Ali und seiner Entourage in Luxemburg bekannt, so die lapidare Antwort
der Minister Luc Frieden und François Biltgen auf eine parlamentarische
Anfrage. Die beiden christlichsozialen Politiker sind bestimmt mit der Geschichte von Petrus vertraut: Der Apostel leugnete, Jesus zu nennen, nachdem dieser vom umjubelten Propheten zum politischen Outlaw geworden war ... Später bereute Petrus seinen Verrat, bekannte sich zum Christentum und ging als Märtyrer in die Geschichte ein. Politiker und Bankiers aber, die mit Ben Ali und anderen Kleptokraten in Verbindung standen, dürften in den Augen
künftiger Generationen als Helfershelfer und Hehler von banalen Verbrechern dastehen.

Doch wieso Luxemburg? Vor allen Ländern, die über ein vergleichbares
Bankgeheimnis verfügen, gilt die Schweiz als die sprichwörtliche Fluchtburg für „Potentatengelder“, wie man sie dort nennt. Allerdings
ist diese Reputation dort auch Thema, und man versucht, etwas an
ihr zu ändern. So trat am 1. Februar die „Lex Duvalier“ in Kraft, die eine
neue Rechtsgrundlage für die „Rückerstattung unrechtmäßig erworbener Vermögenswerte politisch exponierter Personen“ schafft.

Das Gesetz ist eine Reaktion auf den gescheiterten Antrag Haitis auf Rückerstattung des Vermögens des Ex-Diktators, daher der Name. Solche Gesetze können, anders als die wenig glaubwürdigen Beteuerungen der Bankenlobbies, man verweigere suspekte Gelder,
eine abschreckende Wirkung erzielen: Bisher durften sich die Kleptokraten gute Chancen ausrechnen, auch nach einem Machtverlust sich selbst und ihren Familien eine „gute Pension“ zu
erhalten. Im Falle Mobutu zum Beispiel musste die Schweiz - aufgrund
der exzessiven Verfahrensdauer - das eingefrorene Vermögen den Erben des Dikators freigeben.

Kritische NGOs wie die Aktion Finanzplatz begrüßen das neue Gesetz,
bemängeln aber unter anderem, dass es nur auf „politisch exponierte Personen“ anwendbar ist. Es ignoriere damit die „Veruntreuung von Vermögenswerten und deren Überweisung auf schweizerische Bankkonten durch Mitglieder der obersten Organe von Privatunternehmen“, also den weitverbreiteten Raubritter-Kapitalismus.

Auch in Luxemburg wird seit über zehn Jahren die Frage der Potentatengelder von kritischen Beobachtern aufgeworfen ... und jedesmal mit dem Hinweis abgetan, Luxemburg sei nicht die erste Anlaufstelle. Das mag wohl stimmen, doch die Affären um den nigerianischen Ex-Diktator Abacha und den peruanischen Ex-Geheimdienstchef Montesinos haben gezeigt, dass das, was dennoch an Geldern dieser Sorte ins Land gelangt, kein Pappenstiel ist. Der Hauptunterschied zwischen Luxemburg und der Schweiz
besteht weniger in der Attraktivität an sich als in der Tatsache, dass sich dort eine öffentliche Diskussion über die moralischen Aspekte des Finanzplatzes entfalten konnte. Dass etwas Vergleichbares im Großherzogtum nicht möglich ist, weiß man spätestens seit der Affäre um den Bericht über Steuerflucht aus Entwicklungsländern Ende 2009.

Bemerkenswert dreist verbreitet die Bankenlobby weiterhin ihre Ammenmärchen über den ach so sauberen Finanzplatz. So versicherte „ein Ex-Bankier“ dem „Lëtzebuerger Land“, die einheimischen Banken hätten panische Angst vor „politischen Kunden“. „Sollte ein hoher ausländischer Regierungsvertreter die verrückte Idee haben, ein Konto direkt in Luxemburg zu eröffnen, dann würde er sofort an
die Muttergesellschaft im Ausland verwiesen.“ Allerdings sind unseres
Wissens weder Abacha noch Montesinos seinerzeit persönlich vorstellig geworden ... Auf der Suche nach einer neuen Dynamik für den Luxemburger Finanzplatz, so die Schlussfolgerung des Land-Artikels, wollten sich die Verantwortlichen „gewiss nicht mit Potentatengeldern die Finger verbrennen - so zumindest die Theorie“.

Die Praxis sieht leider anders aus: Ausbau der Geschäftsbeziehungen zu den Golfstaaten und den aufstrebenden Ländern Ostasiens, wo statt eines Familienklans häufig eine ethnische oder soziale Bourgeoisie Natur und Menschen rücksichtslos ausplündert. Doch von „Plünderern“ spricht man immer erst nach dem Regimewechsel - bis dahin sind es unsere „Geschäftspartner“, wie Ben Ali einer war.