Ethische statt rein finanzielle Bilanzen

, von Ekkehart Schmidt

etika-Workshop mit Christian Felber

Die kapitalistische Marktwirtschaft hat über die Jahrzehnte nicht nur im Norden, sondern infolge der Globalisierung auch in den Ländern des Südens eine gefährliche Krisenlandschaft geschaffen: Finanzblasen, strukturelle Arbeitslosigkeit, Zerstörung der Biodiversität, Klimawandel, Kriege um Ressourcen und zunehmende Migrationsbewegungen. Nach Auffassung vieler hängen diese Krisen nicht nur miteinander zusammen und beeinflussen sich gegenseitig, sondern sind auch auf eine gemeinsame Wurzel zurückzuführen: die fundamentale Anreizstruktur unseres derzeitigen Wirtschaftssystems, die in erster Linie auf Gewinnstreben und Konkurrenz basiert.

Der daraus resultierende Wachstumszwang und Druck zu stetigen Effizienzsteigerungen verstärkt die negativen Entwicklungen so stark, dass bezweifelt werden muss, ob das Wirtschaftssystem wieder zu einem gesunden Gleichgewicht zurückfinden kann. Psychologen raten heute zu einer Entschleunigung, Ökologen und Politiker fordern die Internalisierung externalisierter Probleme wie Umweltverschmutzung, während Marketingexperten Labels wie Corporate Social Responsibility (CSR) entwickeln, mit denen ein gewisses Maß an sozial und ökologisch verantwortlichem Verhalten belohnt wird. CSR ist sehr in Mode, ändert aber nichts an den schädlichen Anreizstrukturen und ist daher eher als Feigenblatt-oder Alibi-Aktivität zu qualifizieren.

Da Utopien wie der Sozialismus desavouiert sind, suchen viele Praktiker und Theoretiker nach alternativen Modellen des Wirtschaftens. Auf Unternehmensebene werden seit Jahrzehnten auch in Luxemburg Modelle der Solidarwirtschaft erprobt, etwa bei Co-Labor oder Polygone. Eine weitere Alternativen ist die Gemeinwohl-Ökonomie (siehe etika-INFO 49), deren prominentester Vertreter, der Österreicher Christian Felber, im Juni von etika nach Luxemburg eingeladen wurde.

2015 hat der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss eine Stellungnahme zum Modell der Gemeinwohl-Ökonomie angenommen, das CSR-Modelle weiterentwickelt: Anreizstrukturen sollen vom Eigennutz zum Gemeinwohl umgepolt werden. Im Zuge der EU-Strategie für soziale Verantwortung sollen Betriebe für ihre in Gemeinwohl-Bilanzen nachgewiesenen sozialen und ökologischen Leistungen belohnt werden. Eine solche Bilanz hat hierzulande erstmals OIKOPOLIS durchgeführt. Erfolgreiche Betriebe sollen zum Beispiel Steuervorteile erhalten. Eine EU-Richtlinie dazu ist bis zum 6. Dezember in luxemburgisches Recht umzusetzen.

Etika unterstützt dies. Eine Arbeitsgruppe beschäftigt sich seit Anfang August mit der Thematik und bereitet für den Spätsommer Aktivitäten vor, um eine möglichst weitreichende und konkrete Umsetzung der Richtlnie zu erreichen.

Artikel vom 26. August 2016