Die Knappheit relativ preiswert verfügbarer Wohnungen in Luxemburg kann der Verein LIFE nicht aus der Welt schaffen. Dessen sind sich seine Mitglieder bewusst. «Aber dazu beitragen, die Lage ein klein wenig zu entspannen», ist sich Gary Diderich sicher. Der Lösungsansatz des in Düdelingen ansässigen Vereins ist denkbar einfach: durch Wohngemeinschaften bezahlbaren Wohnraum schaffen. «Hierzulande ist das Angebot für WGs viel zu dünn», sagt der Déi-Lénk-Politiker, einer von vier Projektverantwortlichen, die sich neben Nathalie Stieber-Reuland, Luc Reisdorf und Frenz Azzeri bei LIFE engagieren (Foto unten, rechts).
Anders als etwa in Deutschland stiess das WG-Konzept bei luxemburgischen Hausbesitzern auf nur wenig Gegenliebe. Laut den Projektverantwortlichen gibt es in Luxemburg wenige Wohngemeinschaften. „Hätten die Hausbesitzer aber eine Garantie, dass sie jeden Monat ihre Miete beziehen, ohne sich darum kümmern zu müssen, jeden Teil einzeln einzutreiben, neue Mieter zu finden, sollte einer abspringen und mit jedem einzelnen Mieter einen Vertrag abzuschließen, wären vielleicht mehr Eigentümer dazu bereit, Wohngemeinschaften in ihrem Besitz zu erlauben“, erklärt ein Sprecher.
Bisher ist die Vereinigung vor allem als Verwalter der WGs aufgetreten, einem Projekt, das 2018 entstand. Die Vereinigung ohne Gewinnzweck tritt als Vermittler zwischen den rund 60 Hausbesitzern bzw. Vermietern auf, ein einziger Ansprechpartner, der den "Papierkram" übernimmt und die Bürgschaft für die Mitglieder der Wohngemeinschaft. Dadurch erhofft sich die selbst ernannte „ecocreactive Plattform“, mehr Hausbesitzer für die Idee einer Wohngemeinschaft zu erwärmen und auf diesem Weg zu mehr bezahlbarem Wohnraum beitragen zu können. Bis jetzt konnten die ehrenamtlichen Mitglieder bereits 30 Personen in acht Wohneinheiten zusammenführen.
Nun aber wurde erstmals auch ein Haus gekauft. In das zweistöchige Gebäude in Zolwer, das zum 30. Dezember 2019 erstanden wurde (Fotos), sollen bald sieben junge Menschen im Alter zwischen 18 und 26 einziehen. Der Kaufpreis beträgt rund 862.000 Euro, eine weitere Million fließt in die umfangreichen Renovierungsarbeiten, die in den kommenden 18 bis 24 Monaten durchgeführt werden und den Altbau auf den neuesten Stand bringen. Nach der Sanierung verfügt das Haus über zwei Wohnzimmer, zwei Küchen sowie sieben Schlafzimmer (zwischen 13 und 18 Quadratmeter), zu denen jeweils ein kleines Bad gehört.
«Das wird sozusagen eine WG für Einsteiger», sagt Diderich. Eines der Zimmer soll den Anforderungen eines Rollstuhlfahrers gerecht werden. Mit dem Projekt will der Verein freilich nicht nur bezahlbaren Wohnraum schaffen, sondern auch einen Beitrag zur Solidarität und zum Klimaschutz beitragen. Aktuell liegt das Haus noch in der schlechten Energieeffizienzklasse I. «Durch die Renovierung erreichen wir die Klasse A und die Wärmeschutzklasse C», erklärt Diderich. Dazu werden umweltfreundliche Materialien zur Wärmedämmung verbaut sowie eine Solaranlage, eine Wärmepumpe, eine Regenwasseranlage für Toilettenspülung und Waschmaschine sowie eine Umluftanlage installiert.
Finanziert wird das Ganze zu einem Viertel vom Verein selbst und zu drei Vierteln vom Ministerium für Wohnungsbau. Der Verein hat im März 2019 seitens Spuerkeess und etika zum einen einen Vorfinanzierungskredit in Höhe von 2 Millionen Euro erhalten, der nach Eingang der Subventionen zurückgezahlt worden ist, zum anderen einen Investitionskredit über 500.000 Euro. Letzterer soll über die Mieten in 20 Jahren getilgt sein. «Unser Verein verfolgt kein kommerzielles Interesse», betont Diderich.
Die Vermietung der Wohnungen an junge Menschen zwischen 18 und 26 Jahren sei auch ganz im Einklang mit den Bestimmungen des Jugendpakts des Unterrichtsministeriums. Ein Ziel des Paktes ist es bekanntlich, jungen Menschen beim Übergang zum unabhängigen Erwachsenen zu helfen. Und nicht zuletzt soll auch noch ein junger Mensch mit einer körperlichen Behinderung autonom in der neuen WG am Tippewee leben können. Zu diesem Zweck werden Haus und Einrichtungen rollstuhlgerecht umgebaut.
Die Warmmiete für eines der Zimmer liegt bei etwa 450 Euro. Bewerben können sich nicht nur Einzelpersonen, sondern auch Gruppen. «Natürlich organisieren wir im Vorfeld Treffen, um zu sehen, ob die Chemie zwischen den Jugendlichen stimmt», sagt Diderich. Kommt es innerhalb der WG zu Streitigkeiten, steht der Verein als Vermieter auch als Schlichter zur Verfügung.
Das Haus wurde Ende Mai 2023 eröffnet (drei letzte Fotos unten), die ersten jungen Leute sind eingezogen.
Das Haus in Zolwer soll nicht die einzige Immobilie des Vereins bleiben. Es soll noch eine weitere gekauft werden. Außerdem planen Diderich und Co. mittelfristig ein Grundstück zu erwerben, auf dem der Verein fünf Häuser bauen will. Darin leben sollen nicht nur Jugendliche, sondern auch Alleinerziehende, Senioren sowie junge Familien.
Daher hat der Verein einen Aufruf gestartet: "Si vous êtes propriétaire d’une maison et que vous souhaitez en faire quelque chose de positif pour un plus grand nombre de personnes, alors contactez-nous : housesharing@lifeproject.lu. Et n’hésitez pas à nous contacter si vous avez des questions."
2023 hat LIFE zwei neue Häuser erstanden, um sie zu WG-Häusern umzuwandeln.
Kontakt : LIFE Asbl, Gary Diderich, Nathalie Reuland, 42-44, rue Hollerich, L-1740 Luxembourg, admin@wg-projet.lu, Tel. 26532895
Verwendete Quellen: Christian Block: Eine WG für junge Erwachsene, Journal 03.01.2020, Sebastian Weisbrodt: Hier wird ökologisches Wohnen bezahlbar, L’essentiel, 02.01.2020 und Hamus, Eric: Vier Wände für sieben Leute, Tageblatt, 04.01.2020
Lesen Sie hier zudem einen französischsprachigen Artikel in der Woxx vom 3. Januar 2020
Auch reporter.lu hat im Mai 2021 zum Thema Wohn- und Baugemeinschaften recherchiert: In Luxemburg haben alternative Bau- und Wohnprojekte kaum eine Chance. Es bleibt bei Einzelinitiativen, die oft an institutionellem Widerstand und fehlendem politischen Mut scheitern.
Artikel in l`essentiel am 01.06.2023
Artikel vom 7. Januar 2020, aktualisiert am 8. Mai 2024