Der Verein „Comité pour une Paix juste au Proche Orient“ (CPJPO) engagiert sich in der Sensibilisierungsarbeit rund um den Konflikt zwischen Israel und Palästina. Er setzt sich dabei insbesondere für das Recht des palästinesischen Volkes auf Selbstbestimmung ein. Der Verein kooperiert dabei sowohl mit palästinensischen, wie auch israelischen Partnern. Eines der wichtigsten konkreten Projekte ist ein Entwicklungsprojekt im Flüchtlingslager von Jenin.
Jenin ist eine Kleinstadt im Norden der Westbank, die 1967 von Israel okkupiert wurde. Mitten im Zentrum der Stadt befindet sich ein schon 1953 entstandenes palästinensisches Flüchtlingslager in dem etwa 14.000 Bewohnerinnen und Bewohnern, von denen die meisten aus Haifa stammen, auf einer Fläche von 1km2 leben. Sie warten auf die Rückkehr in ihre 1948 von Israel eroberten Heimatstädte. Über 50% der Einwohner leben unter der Armutsgrenze, 22% der Kinder gelten als unterernährt.
Im Jahr 2002, während des „al-Aqsa Intifada“ genannten Aufstands, hat die israelische Armee in einer „Defensive Shield“ genanten Operation sechs palästinensische Städte bombardiert, darunter auch Jenin. ziel war die Zerstörung der Infrastruktur so genanter "Terroristen", um Selbstmordangriffe und andere militante Aktionen zu unterbinden. Während der Schlacht um Jenin im April 2002 wurde das Flüchtlingslager teilweise zerstört.
Wenig später wurde der Frauenverein „Not to Forget Women’s Society" (NTF)
gegründet, der 2006 Partner des CPJPO wurde. NTF begann mit dem Aufbau von Aktivitäten und Programmen zur Unterstützung von Frauen, Kindern und Jugendlichen, die zu den schutzbedürftigsten Personen der Flüchtlingsbevölkerung zählen und sich konstant Schikanen der israelischen Armee ausgesetzt sehen. Mit Unterstützung des palästinensischen Roten Kreuzes wurden durch NTF Werkstätten eingerichtet und Aktivitäten gestartet, die auf eine Resozialisierung von Kindern und Jugendlichen, ihre psychosoziale Stärkung, eine Förderung ihres Selbstvertrauens und ein friedliches Zusammenleben abzielen. Die Werkstätten werden ergänzt durch Freizeitaktivitäten und Selbsthilfegruppen für Mütter.
Konfrontiert mit einer zur Gewohnheit gewordenen ständigen Gewalt und Ausgrenzung weisen fast alle Kinder des Lagers posttraumatische Stresssyndrome auf, mit sehr schädlichen Folgen für ihre Entwicklung und ihren schulischen Erfolg: Depressionen, Ängstlichkeit, geringes Selbstwertgefühl, Schulabbruch und gewalttätiges Verhalten.
Im August 2004 hat das CPJPO beim luxemburgischen Außenministerium einen Kofinanzierungsantrag für ein Projekt in Jenin eingereicht. Bei dem Projekt geht es
um eine psychosoziale Unterstützung der unter dem bewaffneten Konflikt in und um das Lager leidenden Kinder und um eine Stärkung der Kapazitäten des Projektträgers NTF. Anfang 2018 erhielt das CPJPO eine entsprechende
Bewilligung des Ministeriums und begann das Projekt im März. Zur Überbrückung der Zeit bis zum 1. Juni, dem Zeitpunkt an dem die Gelder in Höhe von 405.000 Euro ausgezahlt werden, hat das CPJPO bei der BCEE und etika einen 1. Überbrückungs- kredit für drei Monate in Höhe von 50.000 Euro erhalten.
Das Projekt ist im Rahmen seines Kontextes innovativ: einem Flüchtlingslager, das von der einer Besatzung inhärenten Gewalt betroffen ist, mit den bekannten Auswirkungen auf Familien und Kinder. Noch im Juni 2’019 berichtete eine Mitarbeiterin von NTF, dass tagtäglich entweder israelische oder palästinensische Soldaten ins Camp ein und "den Bewohnern das Leben zur Hölle macht".
Es wurde entschieden, sich langfristig und nachhaltig zu engagieren, unter anderem für die Erziehung und Bildung der Kinder - eine schwierige Aufgabe, führt man sich die Lebensumstände im Lager vor Augen, durch die schon kurzfristig angelegte Projekte schwierig umzusetzen sind. NTF ist die einzige Organisation im Lager, die systematisch, organisiert, zuverlässig und kontinuierlich seit 16 Jahren arbeitet und für die Bewohner*innen wie auch für andere lokale Organisationen zueiner Referenz geworden ist.
Die vor Ort angewandte Methodik ist eine vom palästinensischen Roten Kreuz im Einklang mit den Vorstellungen des internationalen roten Kreuzes und des Roten Halbmondes entwickelte psychosoziale Unterstützung. Die Aktivitäten bestehen aus einer Fortbildung der Erzieher*innen und Freiwilligen in Fragen der psychosozialen Betreuung von Kindern durch das palästinensische rote Kreuz.
Angeboten werden unterstützende Werkstätten und Aktivitäten für Kinder im Alter von 12 bis 14 Jahren, eine schulische Begleitung, Freizeitaktivitäten und gemeinschaftlich in der Küche des NTF gekochte ausgewogene Mahlzeiten. Die Mitglieder des Vereins erhalten zudem eine Ausbildung zu administrativen Fragen der Geschäftsführung des Vereins.
Ferner soll auch das Team personell aufgestockt werden. Mit dem Programm erhofft man sich eine Unterstützung auf dem Weg zum Ziel eines psychosozialen Gleichgewichts im Leben von 600 Kindern und 300 Müttern des Flüchtlingslagers.
Im November 2018 hat das CPJPO zudem einen 2. Überbrückungskredit in Höhe von 45.000 Euro mit einer Laufzeit von vier Monaten beantragt, um für die Kinder und Mütter des Camps eine neue psychosoziale Massnahme anzubieten.
Im Juli 2018 hat das CPJPO den etika-Preis gewonnen. Lesen Sie mehr dazu hier.
Wer sich für eine preisgekrönte Familiengeschichte aus Jenin interessiert, dem sei der 2010 erschienene autobiografische Roman "Mornings in Jenin" von Susan Abulhawa sehr empfohlen.
Schauen Sie sich einen Film zur Vorgeschichte des Projekts an:
Kontakt: CPJPO, Nathalie Oberweis, 55. Avenue de la Liberté, L-1931 Luxembourg, Tel.: 691 819 306, contact@paixjuste.lu, www.paixjuste.lu
Verwendete Quelle: Schmit, Michelle: Wo sicherheit ein Fremdwort ist, Tageblatt. 20.07.2019
Artikel vom 29. Juni 2018, zuletzt aktualisiert am 8. Dezember 2020