Der EU-Aktionsplan für ein nachhaltiges Finanzwesen

, von Ekkehart Schmidt

Als Reaktion auf die globale Erwärmung war schon 1988 das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) unter anderem vom UN-Umweltprogramm (UNEP) gegründet worden. 2005 regte UN- Generalsekretär Kofi Annan die Entwicklung von „Principles for Responsible Investment“ an, die 2006 verabschiedet wurden. 2019 schufen Mitgliedsbanken der UNEP Finance Initiative (UNEP FI) die „Principles of Responsible Banking“, um Rahmenbedingungen für einen verantwortungsvollen Bankensektor zu entwickeln. Immerhin 230 Banken, darunter Spuerkeess als erste luxemburgische Bank, haben sie unterschrieben und setzen in einem mehrjährigen Prozess die umfangreichen Bedingungen um.

Ein wesentlicher Teil der umfassenden Bemühungen der EU-Kommission, die Finanzströme mit den globalen Klimazielen in Einklang zu bringen, ist der Aktionsplan für ein nachhaltiges Finanzwesen (Sustainable Finance Action Plan) von 2018. Ein „nachhaltiges“ Finanzwesen soll den Klimaschutz und eine nachhaltige Entwicklung unterstützen, also nicht nur ein wichtiger Schritt bei der Umsetzung des Übereinkommens von Paris, sondern auch der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung sein.

Der Aktionsplan verfolgt drei Kernziele:

  • Zum einen wird angestrebt, Kapitalflüsse in nachhaltige Investitionen umzulenken.
  • Außerdem soll Nachhaltigkeit in das Risikomanagement integriert werden. Dadurch sollen finanzielle Risiken, die sich zum Beispiel aus der Klimakrise, der Ressourcenknappheit und sozialen Problemen ergeben, begrenzt werden.
  • Drittens soll die Transparenz und Langfristigkeit in der Finanz- und Wirtschaftstätigkeit gefördert werden. Der Plan sieht hierfür die Umsetzung einer Reihe von Maßnahmen vor.

Wesentliche Elementen des aktuellen Rechtsrahmens in der EU

(1) Die Verordnung über klimabezogene Referenzwerte (Pariser Abkommen) von 2019. Die EU-Mitgliedstaaten haben sich das Ziel gesetzt, bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen und damit ihren Verpflichtungen im Rahmen des Übereinkommens von Paris nachzukommen. Der europäische Grüne Deal ist die Strategie, mit der die EU ihr Ziel für 2050 erreichen will. Mehr dazu bei Wikipedia

(2) Die Verordnung über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten (SFDR) von 2019, die deutlich erhöhte Transparenzvorschriften zur Offenlegung von Nachhaltigkeitsinformationen und zur Rechnungslegung beinhaltet. Mehr dazu bei Eurosif

(3) Die Taxonomie-Verordnung von 2020, das. heißt. die Einführung eines EU-Klassifikationssystems für nachhaltige Tätigkeiten (zunächst nur als „grüne Taxonomie“ im Hinblick auf Klimaschutz/ CO2, später soll auch eine „soziale Taxonomie“ folgen).

(4) Eine „angemessene“ Einbeziehung umweltbezogener, sozialer und governancebezogener Erwägungen bei Investitionsentscheidungen (ESG) von Finanzprodukten. Das „E“ für Environment steht hierbei zum. Beispiel. für Umweltverschmutzung oder -gefährdung, Treibhausgasemissionen oder Energieeffizienzthemen. Das „S“ für Social beinhaltet Aspekte wie Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz, Diversity oder gesellschaftliches Engagement (Corporate Social Responsibility). Unter „G“ wie Governance wird eine nachhaltige Unternehmensführung verstanden. Hierzu zählen zum Beispiel Themen wie Unternehmenswerte oder Steuerungs- und Kontrollprozesse.

Die Finanzmärkte benötigen Zugang zu verlässlichen, relevanten und vergleichbaren Informationen zuESG-Aspekten, wenn privates Kapital in die Finanzierung des ökologischen und sozialen Wandels fließen soll. Die Offenlegung von Informationen zur Nachhaltigkeit könnte zusätzliche Investitionen und Finanzmittel mobilisieren, um den im Grünen Deal beschriebenen Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft zu erleichtern.

Wird heute von „nachhaltigem Finanzwesen“ gesprochen, bezieht man sich in der Regel darauf, dass ESG-Kriterien „gebührend“ berücksichtigt werden, was zu mehr längerfristigen Investitionen in nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten und Projekte führen soll. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

(5) Dem Ziel, dass der Übergang zur Nachhaltigkeit durch das Finanzsystem tatsächlich auch in neu aufgelegten Produkten unterstützt wird, dient auch die Verordnung über grüne Anleihen („Green-Bonds-Standard“) von 2021.

(8) Am 28. November 2022 hat der Rat der EU die Richtlinie über die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (CSRD: corporate sustainability Reporting Directive) endgültig gebilligt. Dies bedeutet, dass die Unternehmen in Kürze verpflichtet sein werden, detaillierte Informationen zu Nachhaltigkeitsaspekten zu veröffentlichen. Dies wird die Rechenschaftspflicht der Unternehmen erhöhen, divergierende Nachhaltigkeitsstandards verhindern und den Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft erleichtern.

Hintergrund ist, dass die Europäische Kommission am 21. April 2021 den Richtlinienvorschlag über die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen als Teil des europäischen Grünen Deals und der Agenda für ein nachhaltiges Finanzwesen vorgelegt. Der Vorschlag wird die Lücken in den bestehenden Vorschriften über Nachhaltigkeitsinformationen schließen (siehe ESG oben).

(7) Dem Ziel der Schaffung von Normen und Kennzeichen soll auch ein „Ecolabel“ für „grüne“ Finanzprodukte bzw. Finanzdienstleistungen dienen. Hierbei handelt es sich um eine freiwillige Zertifizierung zur Identifikation „umweltverträglicher“ Investitionen auf der Basis der Taxonomie. Sie ermöglicht es den Herstellern, ihre Finanzprodukte mit einem Umweltgütesiegel zu verkaufen, sofern diese die Kriterien nach der schon für andere Produkte bestehenden EU-Umweltzeichenverordnung erfüllen. Vergeben wird das Label für die vom Hersteller erbrachte Finanzdienstleistung und nicht für das Finanzprodukt direkt. Seine Einführung wird wohl erst im Herbst 2023 erfolgen, wenn die genauen Bestimmungen aller sechs relevanten Taxonomie-Kriterien in Brüssel abschließend genehmigt wurden.

(8) Gemäß der Markets in Financial Instruments Directive (MiFID II) müssen Berater*innen seit dem 2. August 2022 die Nachhaltigkeitspräferenzen ihrer Kund*innen berücksichtigen, wenn sie bei der Finanzberatung eine Geeignetheitsprüfung durchführen. Geeignetheitsprüfung Bei einer solchen werden die Kundenwünsche/Kundenpräferenzen mit den in Frage kommenden Anlageprodukte abgeglichen. Im Ergebnis empfehlen die Berater*çinnen den Anleger*innen diejenigen Produkte, bei denen sich die Produkteigenschaften mit deren Präferenzen decken. Bei der Feststellung des Kundenprofils wird meist auf die ESG-Kriterien zurückgegriffen.

Ferner geht es um eine bessere Berücksichtigung von Nachhaltigkeit bei Aufsichtsvorschriften, Ratings und Marktanalysen sowie entsprechende Benchmarks, sowie den Abbau von kurzfristigem Denken auf den Kapitalmärkten (Short-termism).

Es lässt sich feststellen, dass die Finanzwirtschaft heute zu den am stärksten regulierten Teilmärkten von Volkswirtschaften hoch entwickelter Länder zählt. Das wird seit einigen Jahren immer wieder beklagt, es gibt aber auch sehr gute Gründe dafür, Banken und Versicherungen nicht völlig frei agieren zu lassen. Mit der Autonomie, als Finanzinstitution eigene wirtschaftliche Entscheidungen selbst treffen zu dürfen, geht eben auch die Verpflichtung einher, für die Folgen der eigenen Entscheidungen auch verantwortlich zu sein. Aus ordnungspolitischer Sicht geht es um Anlegerschutz, den allgemeinen Zahlungsverkehr, sowie Rechnungslegungs- und Publizitätsvorschriften.

Die Bankenregulierung soll Missständen im Kreditwesen entgegenwirken, welche die Sicherheit der den Instituten anvertrauten Vermögenswerte gefährden, die ordnungsgemäße Durchführung der Bankgeschäfte beeinträchtigen oder erhebliche Nachteile für die Gesamtwirtschaft nach sich ziehen können. Letzteres dieser Definition lässt sich heute mit „Rettung des Planeten“ übersetzen.

Quelle der Titelgrafik

Artikel vom 5. Januar 2023