Votum Klima fordert den umgehenden Stopp von Investitionen in Kohle und Atom
Luxemburg, 7.11.2016 – Zu Beginn der 22. Weltklimakonferenz in Marrakesch fordert die Klimaschutz-Plattform Votum Klima, Investitionen des luxemburgischen Pensionsfonds „Fonds de Compensation“ (FDC) in fossile Energien und Atomenergie umgehend zu stoppen. Bereits im Februar 2015 hatte Votum Klima anlässlich des Global Divestment Days darauf aufmerksam gemacht, dass der Pensionsfonds in großem Umfang Gelder in fossile Energien und Atomenergie investiert. Kohleinvestionen stehen aber in klarem Widerspruch zu den Verpflichtungen, die Luxemburg durch das Pariser Abkommen eingegangen ist, Atominvestitionen im Widerspruch zu der Anti-Atompolitik des Landes. Für Votum Klima ist klar, dass der Pensionsfonds generell klare Regeln braucht: Investitionen müssen ethisch, rechtlich und politisch vertretbar sein. Die Regierung, allen voran der zuständige Sozialminister Romain Schneider, ist gefordert, dies jetzt umzusetzen!
Nimmt man das Pariser Abkommen - das vor knapp einem Jahr beschlossen wurde – ernst, so bedeutet dies de facto, dass Kohle und andere fossile Energien der Vergangenheit angehören. Dennoch haben die Verantwortlichen der Regierung und des Pensionsfonds – in dessen Verwaltungsrat neben Regierungsvertretern auch Vertreter von Gewerkschaften und Arbeitgebern sitzen - bisher keine Schritte unternommen, um klimaschädliche Investitionen zu beenden. Dies, obwohl es hierüber bereits ein grundsätzliches Einverständnis auch in der zuständigen Parlamentskommission gab. Eine unabhängige Analyse der „Karbonabhängigkeit“ sowie eine öffentliche Diskussion über die „Gouvernance“ und eine nachhaltige Investmentstrategie des Pensionsfonds? Fehlanzeige!
Votum Klima hat die Investitionen, die der Pensionsfonds im Jahr 2015 über die Tochtergesellschaft SICAV-FIS getätigt hat, hinsichtlich seiner Investitionen in Kohle und Nuklearenergie analysiert. Für das Screening der Investitionen in „Kohle“ wurden mehrere Kriterien angewandt (1). Der Bericht, der im Auftrag von Votum Klima von der Nichtregierungsorganisation urgewald erstellt wurde (2), kommt zu dem Ergebnis, dass der Pensionsfonds im Jahr 2015 in Aktien und Obligationen von 103 Hauptakteuren des Kohle-Sektors im Wert von 159 Millionen Euro investiert hatte. Dies entspricht 1,11% des gesamten Investment-Portfolios des Pensionsfonds im Jahr 2015.
„Luxemburg hat am 11. Oktober 2016 das Pariser Abkommen ratifiziert. Wenn das Land glaubwürdig bleiben will, muss es dem Beispiel vieler Fondsmanager weltweit folgen und sofort aus den schlimmsten Firmen der Kohlebranche de-investieren“, erklärt Martina Holbach von Greenpeace Luxemburg (Foto oben am Mikro). „Millionen Pensionsgelder werden in klimazerstörende Kohle investiert, und viele dieser Investitionen sind zudem mit weiterer Umweltzerstörung sowie mit Menschenrechtsverletzungen verbunden.“ Für Votum Klima sind Investitionen in die Kohlebranche zudem nicht mit der Politik der Regierung, die sich im Bereich der Klimafinanzierung profilieren will, vereinbar. „Die Luxemburger Regierung hat im Anschluss an die COP21 die Bedeutung der Luxemburger Finanzindustrie für die Klimafinanzierung hervorgehoben. Demzufolge soll Luxemburg als ein internationales Zentrum für Climate Finance entwickelt werden“, erläutert Martina Holbach. „Es grenzt an Zynismus, wenn Klimafinanzierung jetzt einerseits zu einem Geschäftsmodell entwickelt werden soll, während an anderer Stelle mit Millionen Investitionen in Kohlefirmen dem Klimawandel munter weiter eingeheizt wird. Es ist an der Zeit, seriös zu werden.“
Seit einigen Jahren wächst die Divestment-Bewegung. Dabei geht es darum, dem Sektor der fossilen Energien Gelder zu entziehen. 2015 war ein wichtiges Jahr für Kohle-Divestment: die Entscheidung Norwegens (3), Kohleinvestitionen des staatlichen Pensionsfonds (GPFG) zu beenden, war wegweisend für viele weitere Divest-Entscheidungen. Versicherungsfirmen wie Allianz und AXA sowie viele Städte und Gemeinden haben weltweit diesen Schritt gemacht und damit ein wichtiges Signal an Firmen und Finanzmärkte gesendet.
„Das Beispiel Norwegen zeigt, dass gerade Staaten mit ihren Anlagen einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten können. Mit einem weitreichenden Divestment-Beschluss würde Luxemburg ein nächstes starkes Signal an Investoren weltweit senden“ sagt die Autorin des Berichtes Christina Beberdick von urgewald.
Auch im Bereich Atomenergie betreibt der Pensionsfonds eine Investmentstrategie, die in totalem Widerspruch nicht nur zur Politik der vorherigen sowie der jetzigen Regierung steht, sondern auch zum Willen der luxemburgischen Bevölkerung und Zivilgesellschaft. Ende 2015 hatte der Pensionsfonds Investitionen in Höhe von wenigstens 75.488.151 Euro in Firmen, die eng mit der Atomenergie verbunden sind, in den Büchern stehen. Darunter auch die beiden Konzerne EDF und Engie-Electrabel, die für Luxemburg und seine Bevölkerung die größte Bedrohung darstellen, angesichts der Nähe ihrer maroden Atomzentralen (4).
„Dies ist ein wahrer Schlag ins Gesicht, wenn man bedenkt, dass es hierzulande einen klaren politischen und gesellschaftlichen Konsens gegen die Atomenergie generell und für ein sofortiges Abschalten von Cattenom und Tihange gibt“, erklärt Paul Polfer vom Mouvement Ecologique. „Und zudem ein wahrer Sabotageakt, wenn man bedenkt, dass die Betreiberfirmen die Laufzeit beider Atomzentralen nochmals verlängern wollen. Dafür werden Investitionen in Milliardenhöhe nötig sein. Soll das notwendige Kapital auch von Luxemburger Seite kommen? Via Pensionsfonds?“
„Die luxemburgische Politik kann diesem Foulspiel nicht länger zusehen, sondern muss konsequent der aktuellen Investitionspolitik des Pensionsfonds die Rote Karte zeigen und einen Wandel herbei führen“, so Paul Polfer. „Der Pensionsfonds braucht klare Regeln für Investitionen, die nicht nur Rendite abwerfen, sondern auch ethisch, rechtlich und politisch vertretbar sein müssen! Ein erster Schritt muss sein, dass der Pensionsfonds alle seine Aktien und Bonds dieser Atomkonzerne verkauft.“
Votum Klima wird die Analyse der Investitionspolitik des Pensionsfonds 2017 fortsetzen. Neben den Investitionen in Kohle und Atomenergie wird ein weiterer Schwerpunkt die Respektierung von Menschenrechten u.a. im Minen- und Plantagensektor sein.
Weitere Informationen:
Martina Holbach, Greenpeace Luxemburg, Tel. 54624224 / 621233362
Paul Polfer, Mouvement Ecologique, Tel. 439030-26
Anmerkungen:
(1) Für das Screening des Luxemburger Pensionsfonds durch die deutsche
Nichtregierungsorganisation urgewald e.V. wurden drei Kriterien für Kohleinvestitionen
angewandt:
1. 30% oder mehr des Umsatzes einer Firma oder des Anteils bei der Stromerzeugung einer Firma ist Kohle-basiert. Der norwegische Pensionsfonds GPFG folgt diesem Kriterium bei der Umsetzung seines Divestment-Beschlusses.
2. Eine Firma produziert mehr als 20 Millionen Tonnen Kohle pro Jahr.
3. Firmen, die neue Kohleminen oder neue Kohlekraftwerke planen oder bauen.
(2) Finanzierung des Klimawandels – Die Investitionen des luxemburgischen Pensionsfonds in den Kohle-Sektor, urgewald e.V. und Votum Klima, November 2016
(3) Ende Mai 2015 hatte die norwegische Regierung beschlossen, dass der staatliche Pensionsfonds (GPFG) von Kohle de-investieren soll. Es wurde öffentlich bekannt gegeben, dass der GPFG von Bergbauunternehmen und Versorgungsunternehmen de-investieren würde, wenn 30% oder mehr ihrer Einnahmen oder ihre Stromerzeugung auf Kohle basiert wären. Dieses neue Desinvestitionskriterium wird seit dem 1. Januar 2016 umgesetzt.
(4) Der französische Energiekonzern EDF, Besitzer und Betreiber u.a. der AKWs Cattenom und Fessenheim, erhielt durch den Pensionsfonds Investitionen von über 36,8 Millionen €. Der französisch-belgische Konzern Engie-Electrabel, Betreiber u.a. der Atomzentrale im belgischen Tihange - gegen den seitens deutscher, niederländischer und luxemburgischer Gemeinden wegen Risse im Reaktor 2 geklagt wird - erhielt vom Pensionsfonds bis zum 31.12.2015 wenigstens 8,6 Millionen € an Finanzmitteln. Vom Mutterhaus GDF-Suez hält der Pensionsfonds nochmals mehr als 330.000.- € an Obligationen!
Die Plattform Votum Klima, gegründet im Jahr 2009, wird von folgenden 26 luxemburgischen Nichtregierungsorganisationen getragen: Aide à l’Enfance de l’Inde, Aktioun Öffentlechen Transport, Association de Soutien aux Travailleurs lmmigrés (ASTI), Action Solidarité Tiers Monde (ASTM), ATTAC Luxembourg, Bio-Lëtzebuerg, Bridderlech Deelen, Caritas Luxembourg, Centre for Ecological Learning Luxembourg (CELL), Cercle de Coopération, Conférence Générale de la Jeunesse Luxembourgeoise (CGJL), Eglise Catholique à Luxembourg, etika, Eurosolar Lëtzebuerg, Fairtrade Lëtzebuerg, Frères des Hommes, Greenpeace Luxembourg, Handicap lnternational, Kommission Justitia et Pax, Lëtzebuerger Velos-lnitiativ, Mouvement Ecologique, natur&ëmwelt, SOS Faim Luxembourg, UNICEF,
Vegan Society Luxembourg.
Hören und lesen Sie hier die Reaktion von Umweltministerin Carole Dieschbourg: Votum Klima huet Recht!
Artikel vom 8. November 2016