Es war ein langer Weg - jetzt ist es vollbracht: Der Bio-Bauernhof Tom Kass in Rollingen bei Mersch hat bereits im Sommer 2008 eine Kreditlinie über 100.000 Euro bewilligt bekommen. Es handelte sich damals um eine Vorfinanzierung im Zusammenhang mit der Beantragung eines Investitionskredits, über den noch zu entscheiden war. Es gab jedoch Verzögerungen, so dass über den Kredit erst im Oktober 2011 positiv entschieden werden konnte. Mit dem Bau eines Aussiedlerhofes anstelle des bisherigen Hofs in eingeengter Dorflage möchten Tom Kass und seine Partnerin Anja Kass-Staudenmayer den Fortbestand des Betriebes und dessen biologischdynamischer Bewirtschaftung sichern.
Auf dem neuen Hofkomplex, dessen Bau im Herbst 2011 begonnen wurde (Foto rechts oben), soll die ganze Vielfalt der Tiere – Milch- und Mutterkühe, Pferde, Ponys, Schweine, Ziegen, Hühner , Hunde und Kaninchen – an einem Ort leben und dort neue und verbesserte Haltungsbedingungen vorfinden, die in beispielhafter Weise den Ansprüchen der Demeter-Richtlinien genügen. Die beiden Diplomagraringenieure wollen die Milchviehhaltung ausdehnen und zusammen mit der BioG
(Biobauerngenossenschaft) eine Milchverarbeitung aufbauen. Die Zahl der Mutterkühe wird ebenfalls verdoppelt um der jetzt schon hohen Nachfrage nach Fleisch und Wurstwaren des Hofes gerecht zu werden.
„Durch die optimierten Haltungsbedingungen entsteht eine Art Demonstrationsbetrieb für den Öko-Landbau“, erläutert Tom Kass. Die
Hofkäserei und das Backhaus dienen der Veredelung der eigenen Produkte. „Unsere pädagogische Arbeit mit Schulklassen, Praktikanten und anderen Gruppen soll beibehalten werden und durch die Schaffung eines größeren Aufenthaltsraumes bessere Rahmenbedingungen erhalten.“ Der alte Betrieb wird schon seit zehn Jahren von jährlich über 150 Gruppen besucht. "Diesen sozialen Austausch wollen wir noch ausbauen und durch den Hofladen
und eine Waldorf-Kindergartengruppe erweitern“, erklärt Tom Kass. Auch eine Käserei wird als eigener, unabhängiger Betrieb der BIOG(Biobauern-Genossenschaft) auf dem Gelände produzieren: Frischkäse von den hier lebenden Kühen.
Mit dem Betrieb eines Hofladens als NATURATA-Filiale mit rund 200 m² Verkaufsfläche soll „die Öffnung des
Hofes nach außen hin perfekt werden“, so Tom Kass. "Die Kinder werden in die Aktivitäten des Hofes eingebunden, indem sie - natürlich unter Aufsicht - auch kleinere Aufgaben wie die Fütterung der Ziegen, übernehmen", erklärt er weiter. Seine Frau Anja hat nach vorher absolvierter entsprechender Ausbildung mit der Eröffnung im November 2013 die Leitung des NATURATA-Marktes übernommen.
Dieses Anliegen der bewusst offenen Darstellung dieser Wirtschaftsform ist den beiden sehr wichtig und wurde zur Grundlage ihres innovativen Konzeptes. Dennoch ist der Kaff-Haff neben der Viehhaltung und Aspekten eines Erlebnisbauernhofes auch ein (fast) ganz normaler Betrieb, der Getreide und Kartoffeln anbaut und Grünland und Streuobstwiesen bewirtschaftet.
Die Gesamtinvestitionssumme des Projektes beträgt 4,2 Millionen Euro bei einer Laufzeit von 20 Jahren. Der von etika und der BCEE erteilte zinsreduzierte Investitionskredit umfasste hierbei zunächst 1,6 Millionen Euro. Zwar lag diese
Summe um 100.000 Euro über der üblichen Höchstsumme unserer Kredite, doch entschied das etika-Kreditkomitee unter Zustimmung des Verwaltungsrates, hier in ähnlicher Weise eine Ausnahme zu machen, wie dies bereits für einen Kredit für die BIOGROS-Lagerhalle im Jahr 2010 der Fall war, da das Projekt in besonderer Weise einen ökologischen und pädagogischen Mehrwert aufweist und rund fünf neue Arbeitsplätze schafft.
Durch die Grundsatzentscheidung vom April 2012, nunmehr generell Kredite bis zu einer Höhe von 2 Millionen Euro zu erteilen, wurde auch im Falle des Kass-Haffs der Kredit auf diese Summe erhöht. Zur Sicherung der Finanzierung wurde zudem im Januar 2012 unter Beteiligung der OIKOPOLIS-Participations und 24 anderen Privatpersonen die Gesellschaft "Kass-Haff sàrl" gegründet.
Zunächst konnte das Betreiberehepaar nur hofeigene Produkte wie Fleisch- und Wurstwaren, Getreide, Milch und Kartoffeln anbieten. Mit dem Hofladen, dessen Eröffnung am 6. November 2013 erfolgte, wurde das Angebot dann auf ein
vollständiges Biosortiment erweitert.
„Als Dienstleistung bieten wir die Besichtigung unseres Hofes für alle Interessierte an. Damit tragen wir sehr wesentlich zu einer Einbindung der Landwirtschaft in das Gesellschaftsleben bei“, erklärt Tom Kass. Neben den Kunden des Ladens sollen auch Schulklassen und andere Gruppen – zum Beispiel alle konventionellen Landwirte - vor Ort
einen unverbindlichen Einblick in die biologisch-dynamische Produktion erhalten.
„Es ist heute eher selten, dass ein Hof mit dieser Vielfalt ganz neu aufgebaut wird“, betont Tom Kass. Meistens gehe eine Modernisierung auch mit einer Spezialisierung einher. Somit sei das Projekt auch ein Pilotprojekt, weil ganz bewusst versucht wird, der Entfremdung der landwirtschaftlichen Produktion entgegenzuwirken. Die beiden Initiatoren des Projektes streben im Übrigen eine aktive Beteiligung von BioG und
NATURATA in einer Gesellschaftsform an, die im Detail noch zu klären bleibt.
Ende Oktober 2012 wurde das Erdgeschoss der Scheune fertig gestellt (Foto oben), dann der Rohbau, im Sommer 2013 war sie schliesslich fertig. Sie spielt eine wichtige Rolle für Aufzucht von Ziegen und Schafen, daher war sie sehr schnell, schon im Herbst 2013, einer der Hauptanziehungspunkt für die pädagogische Arbeit mit Kindern.
Im Oktober ist die Familie - mit allen Tieren - eingezogen. Im Frühjahr 2014 wurde die Käserei durch BIOG in Betrieb genommen. Am 27. Februar 2014 fand die offizielle Eröffnung des Hofs in Anwesenheit der Umweltministerin Carole Dieschbourgh statt. Seit Januar 2016 wird die Milch an die BIOG-Molkerei in Bascharage geliefert, einem ebenfalls von etika finanzierten Projekt (mehr dazu hier). In der hiesigen Käserei werden der Speisequark "Stoffi", der Kräuterquark "Kraider-Stoffi", Frische Käse "Frësche Kéis Natur" und ein Weichkäse mit Weissschimmel "Klenge Mäellen" für BIOG produziert.
Am 6. März 2014 erhielt das Projekt bei der Verleihung der etika-Preise 2013 in der Kategorie etika-Projekte eine
besondere Erwähnung. Der Hof sei insofern exemplarisch, als er sich in besonderer Weise der Gesellschaft öffne, hiess es ind er Begründung (mehr dazu hier).
Am Sonntag, 26. Juni 2016 hat der Verein etika ein Fest mit gut 350 Gästen sein 20-jähriges Jubiläum auf dem Hof gefeiert (Fotos rechts). Tom Kass machte dabei mehrere Führungen über den Hof.
Im Februar 2018 wurde die Arbeit des Hofes mit dem «Präis Hëllef fir d’Natur 2017» ausgezeichnet. Lesen sie einen Artikel im Luxemburger Wort, der zu diesem Anlass erschienen ist.
In einem Artikel im Quotidien kritisiert Tom Kass die aktuelle Landwirtschaftspolitik.
Kontakt:
Kass-Haff sàrl
187 A, route de Luxembourg
L-7540 Rollingen / Mersch
Tel :26 32 05 06
kass-haff@pt.lu
Homepage
Artikel vom 1. Dezember 2011, zuletzt aktualisiert am 26. Oktober 2019